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Meinung: „Die Geschichte …

… wird uns freisprechen.“ Das waren Fidel Castros Worte, die er seinen Anklägern entgegenschleuderte, als er 1953 wegen eines Umsturzversuches vor Gericht stand.

… wird uns freisprechen.“

Das waren Fidel Castros Worte, die er seinen Anklägern entgegenschleuderte, als er 1953 wegen eines Umsturzversuches vor Gericht stand. Das waren die Worte, mit denen er am Dienstagabend seine vierstündige Rede im Karl-Marx-Theater von Havanna abschloss, in der er die Dissidenten als „Verräter, Lumpen und Söldner im Dienste des US-Imperialismus“ und ausländische Medien als deren Komplizen brandmarkte. Dem 78-jährigen Revolutionsführer ging es darum, die jüngste Verhaftungswelle von Dissidenten zu rechtfertigen und die Reihen der Revolution zu schließen. Doch der Elan der Anfangsjahre ist verpufft. Inzwischen ist der unbeugsame Revolutionär längst im Rentenalter, das olivgrüne Kampfdress spannt über dem Bauch, die kubanische Mangelwirtschaft kann selbst er nicht mehr schönreden. Und die ideologische Verhärtung und die immer brutalere Repression der letzten Jahre haben ihn im In- und Ausland viele Sympathien gekostet.

Seit 1959 hat der Comandante das Sagen auf der Zuckerinsel; mehr als die Hälfte der elf Millionen Kubaner haben nie einen anderen Staatschef gekannt. Der dienstälteste Machthaber Lateinamerikas hat zahlreiche Attentatsversuche und den Zusammenbruch der Sowjetunion überstanden, die ihn finanziell unterstützte. Castro wurde am 13. August 1926 in der Provinz Oriente als unehelicher Sohn eines aus Spanien eingewanderten Gutsherrn geboren. Bei den Jesuitenpatern galt er als ehrgeiziger, intelligenter, aber auch jähzorniger Schüler. In den 40er Jahren organisierte der Jurastudent Proteste gegen Diktator Fulgencio Batista. Zweimal scheiterten Castros Umsturzversuche. Als er schließlich die Macht übernahm, verwirklichte er seine sozialistischen Vorstellungen. Seither gibt es für Kubaner kostenlose Ausbildung und Gesundheitsfürsorge – wovon andere Latinos nur träumen können. Und deshalb erfreut sich der charismatische Comandante bei vielen Kubanern noch immer großer Beliebtheit. Im Ausland richten sich stets alle Kameras auf ihn, wenn der letzte Sozialist der westlichen Welt die Leviten liest. Doch erkauft wurde der soziale Fortschritt mit politischer Versteinerung: Kritiker und Konkurrenten duldete Castro nie. Andersdenkende sind für ihn „Vaterlandsverräter“.

Liebschaften werden ihm viele nachgesagt, verheiratet war er offiziell nur einmal – mit seiner Studienfreundin Mirta Diaz Balart. Seine große Liebe war Celia Sanchez. Sie kämpfte an seiner Seite und gilt als eine der wenigen Personen, die es wagten, ihm zu widersprechen. Ihr Krebstod im Jahre 1980 war für Castro eine persönliche Tragödie. Heute ist er ein einsamer, misstrauischer Mann. Viele Weggefährten und Familienangehörige – darunter auch seine Tochter Alina – haben ihm den Rücken gekehrt. Sein jüngerer Bruder Raul ist ihm noch treu. Er ist Verteidigungsminister und designierter Kronprinz. Weil der hölzerne Raul aber nicht sonderlich beliebt ist, schwebt Fidel offenbar nach seinem Ableben eine Kollektivregierung vor. Als Mitglieder genannt werden immer wieder Parlamentspräsident Ricardo Alarcon, Castros Mann für die schwierigen Beziehungen zu den USA, sowie der für die Wirtschaftsreformen verantwortliche Kinderarzt Carlos Lage. Doch trotz mehrerer öffentlicher Schwächeanfälle und Stürze in den letzten Jahren denkt Castro noch nicht daran, die Zügel aus der Hand zu geben, getreu seinem Motto: „Revolutionäre gehen nicht in Rente.“

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