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Der Generationswechsel bei den Grünen wurde lange aufgeschoben. Das liegt zum einen daran, dass Trittin (links), Roth und Künast nach dem Ende der rot-grünen Regierungszeit lange hofften, noch mal an die Macht zu kommen.

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Die Grünen in der Krise: Ein Personalwechsel allein reicht nicht

Sie hatten auf das beste Wahlergebnis ihrer Geschichte gehofft - eine eklatante Fehleinschätzung, wie sich schnell zeigte: Die Grünen liegen am Boden und müssen sich berappeln. Doch wer sie dabei anführen soll, ist noch unklar. Und der Personalwechsel allein wird ihre Probleme nicht lösen.

Sie sind nicht aus dem Bundestag geflogen wie die FDP und sie haben nicht so viele Stimmen verloren wie die Linkspartei. Doch während Linken-Frontmann Gregor Gysi nach der Bundestagswahl als stolzer Gewinner dasteht, stellen die Grünen alles infrage. Die Gründergeneration tritt ab, Jüngere sollen die Partei übernehmen. Nur wer genau, mit welchen Fähigkeiten, mit welchem Kurs und mit wie viel Rückhalt aus den mächtig gewordenen Ländern? Bei den Grünen gibt es im Moment niemanden, der genügend Autorität besitzt, um die Partei durch die Krise zu führen.

Dass der Sturz so tief ist, liegt auch an den hohen Erwartungen. Lange hatte die Partei gehofft, das beste Wahlergebnis ihrer Geschichte einfahren zu können. Nach der Wahl müssen die Grünen nun ernüchtert feststellen, dass sie mit der Fixierung auf die SPD, mit einem linken Programm und zu viel Belehrung nur noch Stammwähler ansprechen konnten.

Die einflussreiche Politiker der Grünen fragen sich: Hätten wir stärker eingreifen sollen?

Dabei waren sie schon mal weiter. Nach der Wahl 2009 erhob die Partei selbstbewusst den Anspruch, führende Kraft für die linke Mitte sein zu wollen. Dazu gehöre auch, „sich aus alten Koalitions- und Lagerzwängen zu befreien“, sich nicht als „Koalitionsanhängsel“ zu präsentieren, stellten die Grünen auf ihrem Parteitag in Rostock fest. Millionen Menschen seien „die ritualisierten Grabenkämpfe zwischen dem behäbigen, selbsternannten bürgerlichen Lager und den selbstzufriedenen Alt-Linken leid“, hieß es damals. Hätten die Grünen ihre Analyse ernst genommen, stünden sie heute womöglich nicht so schlecht da.

Es waren einflussreiche Politiker aus den Ländern, die diese Thesen formulierten: Tarek Al-Wazir aus Hessen etwa, und Robert Habeck, heute stellvertretender Ministerpräsident in Schleswig-Holstein. Mit Entsetzen blicken sie nun auf den Scherbenhaufen. Und fragen sich, ebenso wie Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, ob sie sich nicht stärker hätten einmischen sollen, als es um die Aufstellung für den Bundestagswahlkampf ging.

Denn auch wenn Trittin den Wahlkampf wie kein anderer geprägt hat, ist er für das Ergebnis nicht allein verantwortlich. Auch Katrin Göring-Eckardt, die nun als Fraktionschefin den Neuanfang managen will, hat als Spitzenkandidatin nicht die bürgerlichen Wähler ansprechen können, welche die Grünen gewinnen wollten. Beschlossen haben die Grünen ihr Programm ohnehin gemeinsam, Realos wie Parteilinke. Hörbar gemurrt hat nur Ministerpräsident Kretschmann.

Ein schwarz-grüner Koalitionsvertrag - eine absurde Vorstellung

Der Generationswechsel bei den Grünen wurde lange aufgeschoben. Das liegt zum einen daran, dass Trittin, Roth und Künast nach dem Ende der rot-grünen Regierungszeit lange hofften, noch mal an die Macht zu kommen. Es liegt aber auch an der „Generation Kann-Gerade-Nicht“, wie es 2008 spöttisch hieß, als die Grünen nach einem neuen Parteichef suchten. Nachwuchshoffnungen wie Habeck und Al-Wazir wollten sich damals lieber auf ihre Arbeit vor Ort konzentrieren. Sie und ihre Länderkollegen werden sich jetzt stärker einbringen müssen.

Die Grünen müssen ihr Machtvakuum schnell füllen. Ansonsten könnte es passieren, dass Trittin einen schwarz-grünen Koalitionsvertrag, so unwahrscheinlich der ist, verhandeln muss. Eine absurde Vorstellung. Doch ein Personalwechsel allein reicht nicht. Die Neuen müssen die Kraft haben, nach dem Wahldebakel nicht nur die Partei aufzumuntern, sondern wieder stärker in die Mitte der Gesellschaft aufzuschließen. Wenn nicht, bleiben sie in der Nische.

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