zum Hauptinhalt

Meinung: Die halbe Macht gibt es nicht

Von Malte Lehming

Neue Lage, gleicher Trick. Mit einer sozialen Gerechtigkeitsdebatte war es der SPD in den letzten Wochen des Wahlkampfes gelungen, das Ruder zu wenden. Jetzt sucht sie ihr Heil in einer personellen Gerechtigkeitsdebatte. Erst Gerhard Schröder, dann Angela Merkel, jeder zwei Jahre, das israelische Modell: Dieser Vorschlag soll fair klingen, nach Kompromiss, Vernunft und Pragmatismus – ist aber in Wahrheit nichts von alledem. Denn, was hieße das konkret? Schröder, dessen Regierung abgewählt wurde und dessen SPD hinter der Union ins Ziel kam, kann kaum erwarten, von einem großkoalitionären Partner mit der Führung der Regierungsgeschäfte beauftragt zu werden. Selbst führende Genossen sowie prominente Grüne sehen das inzwischen skeptisch, weil realistisch. Hinzu kommt, dass Merkels Zukunft wohl endgültig besiegelt wäre. Zwei Jahre als Vize sind eine lange Zeit. Da kann viel passieren. Vielleicht scheitert die Koalition vorzeitig, vielleicht wird sie innerparteilich bekämpft. In jedem Fall wäre das Risiko zu groß für sie. Nein, das israelische Modell scheidet aus. Allerdings verhalten sich die Konservativen derzeit kaum weniger anmaßend. Die SPD möge gefälligst Frau Merkel als Nummer eins akzeptieren – und zwar ultimativ bis zum kommenden Mittwoch, lautet die Forderung. Und wenn nicht, könnte die SPD schnippisch zurückfragen, was dann? Liebesentzug? Luft anhalten? Beleidigt sein? Wirklich drohen kann keine von beiden Seiten. Darum sind all die markigen Worte, die derzeit gewechselt werden, nicht sonderlich ernst zu nehmen. Die Wahl war vor einer Woche. Bis heute wird Dampf abgelassen. Denn noch brodelt die Stimmung. Dafür sollten wir Verständnis haben. Auch Politiker sind halt nur Menschen. Eine Macht wittern, sich ihrer aber nicht sicher sein: Das belastet den Gefühlshaushalt.

-

Zur Startseite