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Meinung: Die Kernfrage

Zivile und militärische Atomanlagen sind kaum zu unterscheiden

Alexander S. Kekulé In Sachen Atombombe weiß jedes Kind, wie die derzeitigen „Schurkenstaaten“ heißen: Nachdem der Irak unschädlich gemacht wurde, sind jetzt Iran und Nordkorea die Bösewichter, mit denen die friedfertige Welt als nächstes fertig werden muss. Und sind sie nicht willig, so geht es eben nur mit Gewalt. Die belastenden Indizien hat die internationale Atombehörde (IAEO) bei ihrer Hauptversammlung vergangene Woche vorgeführt: Iran verweigert lückenlose Kontrollen, obwohl die Inspekteure Spuren von hoch angereichertem Bombenuran gefunden haben. Nordkorea hat wahrscheinlich schon zwei bis acht AtombombenPrototypen hergestellt und protzt mit seinem Potenzial zur „nuklearen Abschreckung“. Das müsste, so scheint es, für einen Schuldspruch des Weltsicherheitsrates wohl ausreichen.

Doch ganz so einfach lässt sich die Welt nicht in Gut und Böse einteilen – weder technisch noch rechtlich existieren klare Definitionen, was einen nuklearen „Schurkenstaat“ ausmacht. Zur Herstellung von Atombomben muss das spaltbare Isotop Uran-235, das in natürlichem Uranerz nur zu 0,7 Prozent vorhanden ist, auf über 90 Prozent angereichert werden. Dazu benötigt man eine Konversionsanlage, die das Metall in gasförmiges Uranhexafluorid umwandelt, sowie eine Anreicherungsanlage, in der das Uran-235 über Hunderte von Gaszentrifugen konzentriert wird. Beide Anlagen werden jedoch auch für die zivile Nutzung der Kernenergie benötigt, bei der niedrig angereicherter Brennstoff mit höchstens fünf Prozent Uran-235 eingesetzt wird. Ähnlich verhält es sich beim Plutonium: Es kann ebenfalls zum Bau von Atombomben verwendet werden, fällt aber in zivilen Schwerwasser-Kraftwerken und schnellen Brütern in großen Mengen als Abfall an. Nur eine kontinuierliche Überwachung aller Kernanlagen kann deshalb verhindern, dass ein Staat die haarfeine Linie zwischen ziviler und militärischer Nutzung heimlich übertritt.

Auch rechtlich ist die Abgrenzung schwierig. Nordkorea hat den Atomwaffensperrvertrag im vergangenen Jahr gekündigt, was mit einer Dreimonatsfrist ganz legal ist. Iran hat den Sperrvertrag unterzeichnet und beruft sich sogar auf dessen Klausel, wonach Staaten ohne Atomwaffen bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie unterstützt werden sollen. Das von den IAEO-Inspekteuren gefundene, hoch angereicherte Uran sei eine Verschmutzung an einer aus Pakistan importierten, gebrauchten Zentrifuge gewesen.

Mit dubiosen Ausreden und der Ablehnung von Kontrollen stehen Iran und Nordkorea nicht alleine da. Vom jahrelangen, illegalen Export pakistanischer Atomtechnik nach Iran, Libyen und Nordkorea will die Regierung in Islamabad nichts gewusst haben.

Aber auch vermeintlich „gute“ Staaten verhalten sich nicht immer vorbildlich. Brasilien, das während der Militärdiktatur bis 1985 ein geheimes Kernwaffenprogramm hatte, verweigert der IAEO neuerdings die Inspektion seiner Anreicherungsanlagen. Südkorea gab erst letzten Monat zu, hoch angereichertes Uran hergestellt zu haben – angeblich in geringen Mengen und ohne Kenntnis der Regierung. Israel verfügt nach Expertenmeinung seit Jahren über die Atombombe, gibt es jedoch nicht zu und verweigert jede Kontrolle. Trotzdem wollen die USA demnächst 500 bunkerbrechende Bomben liefern, mit denen Israel die unterirdischen Atomanlagen Irans zerstören könnte. Die Rüstungskontrolle muss effektiver und unabhängig vom Weltbild werden, damit die Proliferation von Atomwaffen aufgehalten werden kann.

Der Autor ist Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie in Halle. Foto: Jacqueline Peyer

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