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Die Kriege: Was wollten wir noch gleich?

Das westliche Staatenbündnis steht vor einer der schwierigsten Entscheidungen seiner Existenz. Militärische Gewalt - das zeigen die Kriege im Irak und in Afghanistan - bringt uns nicht weiter. Doch wie könnte eine neue Politik der Prävention aussehen?

Es ist nicht pathetisch, es ist rein faktisch so, dass „der Westen“, dieser seit Jahrzehnten staunenswert zivilisierte, demokratische Zusammenschluss von Nationalstaaten, vor einer der schwierigsten Entscheidungen seiner Existenz steht. Einer Existenz, die paradoxerweise datiert aus der sogenannten Nachkriegszeit. Denn mit jedem Tag mehr, der Schreckliches aus den Kriegen in Afghanistan und Irak bringt, wird es drängender, wieder eine Bestandsaufnahme zu machen und sich über die zukünftige Handlungsweise klar zu werden. So viel mindestens ist doch nicht zu ignorieren: Wie es jetzt geht, führt es nicht zum Ziel. Nicht zum Frieden, und von Demokratie gar nicht zu reden.

Täglich Tote, täglich Terror, beides verlangt danach, ja erzwingt, dass der Westen Rechenschaft ablegt. Zumal, wenn es sich dabei um ebenjene Gemeinschaft höherer Werte handeln soll, von der beschwörend gesprochen wird. Will sich diese „Wertegemeinschaft“ nun die eigene Moralität erhalten und ihre verbliebene Glaubwürdigkeit sichern, muss sie ehrlich mit sich sein. Allerdings öffentlich nachvollziehbar.

Zum Krieg gegen den Irak Anfang der 90er Jahre sagte der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker, das werde der letzte Konflikt dieser Art gewesen sein, den man mit militärischen Mitteln lösen könne. Zuvor hatte sich Colin Powell, seinerzeit ranghöchster US-Soldat, als zurückhaltender Krieger gezeigt. Er plädierte dafür, den Irak mit Sanktionen, voran wirtschaftlichen, zu bekämpfen. Dazu kam es nicht. Nicht in den 90ern und nicht mehr als ein Jahrzehnt später. Militär marschierte ein im Irak und in Afghanistan, setzte diktatorische Machthaber ab – und dennoch ist mehr denn je die Frage, ob so Siege aussehen.

Das westliche Modell ist im Blick auf beide Länder heute nicht zu verwirklichen, überhaupt so schnell nicht. Und das Modell, das der Westen allzu schnell von der Vormacht der Demokratie, den USA, übernommen hat, das des vermeintlich vorbeugenden Eingreifens, ist gescheitert. Der geradezu missionarische Feldzug, zu dem der US-Präsident Verbündete an die Waffen rief, hat – auf die Zahlen gesehen – die Lage nicht besser, sondern schlimmer gemacht. Der Irak als Tor zur Hölle, wie perverserweise Saddam vorhersagte; und Afghanistan als uneinnehmbare Festung des Schreckens, vor der Staatsleute, ältere, lebenserfahrene, immer gewarnt haben. Es kam, wie es kommen musste, wenn man es wissen wollte.

Und nun: Rückzug?

Das ist die Überlegung, die am nächsten liegt. Ein Michael Moore kann das leicht fordern. Doch nachdem der Fehler ganz am Anfang gemacht wurde, nachdem der Westen offenkundig nicht genügend mit den USA debattiert hat, was wie in welcher Zeit erreicht werden soll und kann – gibt es da einen Weg zurück? Wäre er nicht gleichbedeutend damit, die beiden Länder dem Chaos zu überantworten und von den beiden Ländern aus Chaos in die großen Regionen zu tragen, auf dass die irgendwann unrettbar unregierbar sind? Widerspräche das nicht gerade jener höheren Moral, in der der Westen sonst zu handeln vorgibt? Müssen folglich nicht, im Gegenteil, die Anstrengungen noch erhöht werden?

Billionen Dollar, Hunderte Milliarden, haben die USA bereits für die Kriege ausgeben. Genauer: fürs Militär. So führt das nicht weiter. Soldaten sind keine Sozialarbeiter. Es zeigt sich, dass der Krieg gegen den Terror damit nicht zu gewinnen ist. Von Demokratie gar nicht mehr zu reden. Nein, die Illusion der Nähe, gespeist aus falsch verstandener Globalisierung via Internet, hat sich wie ein Schleier über die Ratio gelegt. Mangelndes Wissen vom Wirklichen, dazu Ignoranz aber sind unzivilisiert, auch undemokratisch. Darum ist es jetzt Zeit, für die Zukunft zu entscheiden – und von seiten des Westens Milliarden anders auszugeben: für projektbezogene zivile Hilfe in beiden Ländern und daheim für mehr Kenntnis über ferne Länder, Sitten und Gebräuche. Für eine Politik der Prävention. Denn egal, wie viele Soldaten man schickt – wer nicht respektiert wird, rebelliert.

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