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Christian Lindner soll neuer FDP-Chef werden.

© dpa

Die Liberalen unter Christian Lindner: Bei der FDP reichen kosmetische Änderungen nicht aus

Die FDP war gestern – die Partei liegt falsch, wenn sie glaubt, sie könne so einfach wieder auferstehen. Lebendig dagegen ist der Liberalismus, wenn er nicht in besitzbürgerlicher Erstarrung verharrt. Plädoyer für eine Neugründung des Liberalismus.

Es geht nicht um kosmetische Änderungen an der FDP, wie wir sie kennen. Es geht auch nicht darum, sie nur aus den Augen eines Christian Lindner zu betrachten. Vielmehr ist es so: Diese FDP gibt es nicht mehr. Sie ist – verblichen. Allein schon der blau- gelbe Aufbau vor dem Berliner Fraktionssaal, den es nicht mehr gibt, und in der Parteizentrale, die es aus Finanzgründen vielleicht auch schon bald nicht mehr gibt … Vorbei, kein dummes Wort.

Eitelkeiten dürfen schlicht nicht vorrangig sein bei einer Partei, die so gnadenlos reduziert ist auf ihr Wesen. Die mehr als alle anderen davon gelebt hat, im Bund präsent zu sein. Und dazu das „Waagscheißerle“, wie in einem vergangenen Jahrhundert einer ihrer Gründerväter, Theodor Heuss, gemütlich schwäbelnd sagte. Damals empfand man das so, und es vor allem nicht als ehrenrührig. Aber heute, nach der letzten Zweitstimmenkampagne, die in die Irre führte – obwohl sie so ehrlich war wie lange nichts bei der FDP – ist auch das endgültig vorbei. Waagscheißerle ist Mist, ist ja noch nicht einmal Opposition.

Aber die FDP tut so, als könnte sie nun doch wieder, wie immer, aufstehen vom Totenbett, auf dem sie liegt. Nur wie, ohne Idee, ohne Blutzufuhr, ohne neue Kleider? Sie ist doch inhaltlich nackt, ist an ihren Gliedern ausgezehrt. Ein Kopf allein reicht nicht, sich zu erheben.

Wobei auch das schon eine Frage ist, die sich noch schärfer stellen wird: Ist Christian Lindner der Kopf? Manches Mal, wenn er redet, dann redet ein Guido Westerwelle, nur nicht so schneidend im Ton. Aber die Themen, die hatte Westerwelle auch schon. Er hatte auch den Karl-Hermann Flach im Repertoire oder die wahren Neoliberalen, je nachdem, wie’s kam. Sie kamen bloß nicht mehr so oft vor und nicht mehr so gut an, gewendet, wie die FDP seit Hans-Dietrich Genscher war.

Westerwelle ist nicht schuld

Denn das war der Sündenfall, damals, diese Wende weg vom Liberalismus zum Freidemokratismus, bei der mehr als die Hälfte der Mitgliedschaft und der Wählerschaft gleich dazu ausgewechselt wurde, ja werden musste, um das Manöver von der SPD zur Union zu überstehen. Dass Genscher damals keinen Parteitag befragte, vorher, ob das opportun sei, hat die FDP mehr verändert, als sie je wahrhaben wollte. Nicht Westerwelle ist schuld.

Philipp Rösler: falscher Mann zur falschen Zeit

Philipp Rösler wurde dann noch der falsche Mann zur falschen Zeit; seine anfänglichen liberalen Reden blieben ohne Echo. Womit der Übergang von der alten zur jungen Generation fatal, letal missriet. Dabei gäbe es Platz für Liberalismus. Aber: für Liberalismus! Für die Bereitschaft, die Wirklichkeit anzunehmen und deswegen die eigene Position ständig infrage zu stellen. Das erfordert die liberale Ethik. „Liberalismus kennt keine Tabus. Für ihn ist jeder Tatbestand der Erörterung offen“, schrieb Flach.

Und: „Der Liberalismus entheiligt daher zwangsläufig alle Zonen, die mit vorgeschobenen Argumenten übergeordneter Art aus meist interessenbedingten Gründen für die allgemeine Debatte gesperrt werden sollen.“ Das ist eine Anklage, der FDP, des Gestern. Liberalismus ist hart errungen, wird nie dekretiert, weil es ihm widerspricht. Und er kann an besitzbürgerlicher Erstarrung sterben. Er muss es aber nicht.

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