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Die Liberalen: Wenn Prinzipien vor Vernunft gehen

Die FDP will sich stets treu bleiben – damit schadet sie der schwarz-gelben Koalition und sich selbst.

Beflügelt von ihrem guten Wahlergebnis wollte die FDP alles auf einmal erreichen: weg mit dem Vorwurf der Klientelpolitik, Steuersätze runter, kleine Volkspartei werden. Ans alltägliche Regieren war kaum zu denken. Jetzt aber zeigt sich, dass auch das hohe Staatskunst ist. Umso mehr an einem Tag wie gestern, an dem das Ergebnis der Steuerschätzung mit den Verhandlungen über einen parteiübergreifenden Griechenlandantrag zusammenfiel. Es hätte keine bessere Gelegenheit gegeben, um den Wandel der FDP zur Vernunftpartei zu illustrieren. Die Liberalen hätten nicht einmal etwas dafür tun müssen. Ihre Umkehr wäre anstrengungslos zu haben gewesen – als Akt allgemeiner Einsicht in Notwendigkeiten. Dafür ist es jetzt zu spät.

Stattdessen zeigt sich, wie sehr die neue FDP mit sich selbst überfordert ist. Wenn die Fraktionschefin der Liberalen, Birgit Homburger, die Koalition infrage stellt, weil in einem unverbindlichen Entschließungsantrag zusammen mit der Opposition die Finanztransaktionssteuer geprüft werden soll, dann offenbart dies ein skurriles Maß an Selbstbezogenheit in Zeiten der tiefen europäischen Krise.

Als Bundesaußenminister hätte Guido Westerwelle in einer solchen Situation andere Sätze sagen können: „Damit das klar ist, ich muss hier Klarheit schaffen! Weil, es nützt ja nichts, wenn ich heute erzähle, na ja, das ist alles nicht so schlimm, und dann mache ich irgendwie, weil ich meine, ich könnte gerade mal so weitermachen. Da habe ich ein anderes Verständnis von Regierungsbeteiligung.“ Die Worte stammen von Joschka Fischer, er sagte sie auf dem Grünen-Sonderparteitag im Mai 1999 in Bielefeld. Damals ging es um die deutsche Beteiligung am Kosovo-Krieg.

Schon einmal also stand eine kleine Partei ein halbes Jahr nach Regierungseintritt vor der Alternative, ihren eigenen Gesetzen zu folgen oder vernünftig zu werden. Den Grünen hat es nicht geschadet, von ihren Prinzipien abzuweichen. Im Gegenteil: Die wohlwollende Betrachtung bis weit hinein ins bürgerliche Spektrum wurde so erst möglich gemacht.

Westerwelle hat diesen Moment verpasst. Auf über 30 Prozent schätzt der Wahlforscher Manfred Güllner das Potenzial der Liberalen. Zurzeit aber scheitert die FDP an der Bürde einer 14,6-Prozent-Partei. So gesehen sind die Steuerausfälle und die teure Griechenlandhilfe auch ein ungewollter Segen für die Liberalen. Sie werden die Partei aus ihrer fiskalischen Begründungsnot befreien. Nichts fürchtet die FDP mehr als den Vorwurf, eine Umfallerpartei zu sein. Wie viel Glaubwürdigkeit aber steht noch auf dem Spiel, wenn das Umfallen gar nicht mehr verteidigt werden muss?

Seitdem sie mitregiert, hat die FDP ihre Steuerversprechen selbst nicht allzu ernst genommen. Viele ihrer Anhänger sind ihr darin überraschenderweise gefolgt. Gibt es also ein Zurück für die FDP, hin zur historisch angestammten Rolle als rationales Korrektiv eines größeren Partners? Noch wehrt sich die Partei dagegen, dabei haftet dieser Rolle überhaupt nichts Ehrenrühriges an. Fatal dagegen wäre es, wenn sich die FDP in eine Phase des Selbstmitleids flüchten sollte. Nach dem Motto: Egal was wir tun, wir können es ohnehin niemandem recht machen. Besser wäre es, wenn die Partei seriös regiert. Auch daran kann man wachsen.

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