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Meinung: Die Mauer über Berlin

Von Lorenz Maroldt

In Berlin wird gekämpft, diesmal um jeden Mauerrest – egal wo, egal um welchen, egal, ob er echt oder falsch ist. Immer dabei: Alexandra Hildebrandt mit der Historygruselshow am Checkpoint Charlie. Ihr zur Seite steht fest die CDU. Sah sie früher bei jedem Studenten, der ein leeres Haus enterte, den Rechtsstaat in höchster Gefahr, scheint nun auch ihr der zivile Ungehorsam das richtige Mittel zu sein, um die Besetzung eines privaten Grundstücks zu verteidigen – wenn es um die Mauer geht. Dann die Touristen. Jahrelang haben sie die Mauer abgepickelt, deren Teile gekauft, aus der Stadt verschleppt. Jetzt jammern sie: Was haben die Berliner mit der Mauer gemacht! Sogar Thomas Flierl greift ein. Wurde am Checkpoint die Hildebrandtmauer zu seiner vollsten Zufriedenheit niedergerissen, wirft sich der PDSMann jetzt vor ein paar Meter abrissbedrohten Hinterlandbeton am Nordbahnhof. Jubel dagegen am Potsdamer Platz: Sony schenkt Berlin 35 Originalmauerteile – und stellt sie selber auf.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es Demonstrationen gibt unter dem Motto „Die Mauer muss her!“, vorneweg deutsche Bauarbeiter. Wo bleibt die Partei, die von der Republik ein Notopfer fordert? Fehlt nur noch, dass Präsident Bush am Brandenburger Tor pathetisch ruft: „Mister Putin, build up this wall!“

Wie wäre es mit modernen Varianten des Trennbetons? Eine Mauer um Neukölln, als antiislamistischer Schutzwall. Eine Mauer um Zehlendorf, damit die Reichen nicht vor der Millionärssteuer flüchten. Eine Mauer zwischen Pankow und Prenzlauer Berg, weil hier zusammenwächst, was nicht zusammengehört. Und es könnte gleich ein Skandal beendet werden: Tausende Autofahrer rasen tagtäglich ohne jedes Gedenken an der alten Kontrollstelle Dreilinden vorbei. Klarer Fall, hier fehlt ein Mahnmal für den stehengelassenen Tramper. Ein schöner Stau am künstlichen Schlagbaum, gerne auch schon am Funkturm, wird den Menschen die Augen öffnen.

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