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Genug Schultern, um die Last zu verteilen, haben die Mitglieder der Nato. Auch Deutschland wird seinen Teil beitragen müssen.

© AFP

Die Nato von morgen: Arbeitsteilung im Verteidigungsbündnis

Nicht jeder kann alles. Und nicht jeder muss alles können. Das gilt für das Handwerk. Das gilt für den Fußball. Das gilt aber, wie den Mitgliedstaaten des mächtigsten Verteidigungsbündnisses der Weltgeschichte gerade dämmert, auch für die Nato.

Von Michael Schmidt

Wir leben in einer arbeitsteiligen Gesellschaft. Niemand erwartet vom Möbeltischler, dass er das Leck im Abflussrohr stopft. Wenn Bayerns Torwart Elfmeter verwandeln kann, umso besser, aber bezahlt wird er dafür, die Strafstöße der Gegner zu halten – fürs Toreschießen sind die Stürmer zuständig. Und die transatlantische Allianz, die sich im Spagat zwischen klammen Kassen und immer neuen Herausforderungen eine Überdehnung zu holen droht? Die erfindet sich gerade neu. Noch ist unklar, wem dabei welche Rolle zufällt. Nur dass nicht jeder im schlimmsten Fall von allem ein bisschen, aber nichts richtig macht – das soll künftig ausgeschlossen sein. Der Sparzwang macht es möglich und nötig. Die Nato soll ein Bündnis werden, das mit immer weniger Geld immer mehr und das immer besser machen soll.

Einen Namen hat das Ganze schon, das dieser Tage in Chicago debattiert wird: Smart Defence, kluge Verteidigung. Es geht um nicht weniger als eine Revolution im Denken wie im Handeln. Fähigkeiten sollen gebündelt, Rüstungsprojekte gemeinsam finanziert werden – und die Staaten Souveränität abgeben. Der Nato- Generalsekretär führt als Beispiel die Luftraumsicherung an. Die baltischen Staaten beispielsweise haben keine Abfangjäger mehr, sondern werden von der Luftwaffe größerer Mitglieder wie Deutschland geschützt. Im Gegenzug stellt die lettische Armee Sprengstoffspezialisten für Afghanistan zur Verfügung.

Aber macht eine engere Zusammenarbeit die Nato-Politik schon zu einer „klugen“? Oder ist das nicht nur, der Not gehorchend, der erste Schritt hin zu einem Schrumpfungsprozess, an dessen Ende nur noch Bonsai-Armeen stehen, vor allem diesseits des Atlantiks? Nun, es wäre absurd, wenn in einer Welt, in der alle sparen müssen, die größte Militärorganisation ausgenommen bliebe. Wer aber weniger auszugeben hat, der muss seine Kräfte bündeln. So weit, so folgerichtig die Modernisierung der Nato. Wahr ist aber auch: Diese Modernisierung hat ihre Kehrseite, das Sparen seinen Preis.

Das Bündnis wird sich bescheiden müssen. Cyberattacken, Energiesicherheit, Migration, was auch immer an neuen Herausforderungen ausgemacht worden ist, die Nato kann sich nicht um alles kümmern. Das anzuerkennen heißt, einzugestehen, dass es mehr Unsicherheit geben wird. Beispiel Afghanistan: Den größten Spareffekt für die Nato bringt der Abzug bis 2014. Eine Zone der Sicherheit aber hinterlässt der Westen nicht. Klug und die Budgets schonend wäre es, aus dem Abenteuer am Hindukusch die Erkenntnis mitzunehmen, dass „nation building“ ein wahnsinnig teures, zeitraubendes und meist zum Scheitern verurteiltes Vorhaben ist. Das lässt die Nato besser.

Darüber hinaus muss sich jeder auf den anderen verlassen können. Denn wer auf Fähigkeiten verzichtet, begibt sich in Abhängigkeit von denen, die sie haben. Und wer sie hat, steht im Wort, in der Verantwortung, sie dem anderen zur Verfügung zu stellen, wenn der sie benötigt. Das ist es, was das neue Geschäftsmodell der Nato ausmacht. Es ist ein Modell, das Vertrauen voraussetzt, viel Vertrauen.

Für die Bundesrepublik steckt darin eine besondere Herausforderung, weil hier der sogenannte Parlamentsvorbehalt gilt – ohne Zustimmung des Bundestags kein bewaffneter Auslandseinsatz von Bundeswehrsoldaten. Die Frage ist, ob sich das verträgt mit einem gemeinsam zu bedienenden Waffensystem im Einsatz; im Einzelfall kann kaum immer erst das Parlament in Berlin gefragt werden.

Bleibt der Bundesregierung also nur die Entscheidung zwischen weniger Demokratie und Isolation im Bündnis? Nein. Den verfassungsgerichtlich sanktionierten Parlamentsvorbehalt wird sie nicht infrage stellen und tut gut daran. Aber sie wird gesetzlich regeln müssen, dass die Abstimmungen künftig unter einer neuen Maßgabe stattfinden: dass sich die Bundesrepublik zum „burden sharing“ in der Nato verpflichtet hat.

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