zum Hauptinhalt

Die Optionen der SPD: Mit der Ampel zurück an die Macht

Man muss kein Sozialdemokrat sein, um eine Neuauflage der großen Koalition unter Angela Merkel für verhängnisvoll zu halten. Eine Ampel aus SPD, Grünen und FDP wäre da fast schon ein Gebot der Demokratie.

Von Hans Monath

Es ist ein harmloses Wort, mit dem Peer Steinbrück am Wochenende von seiner Partei einen Freibrief für abweichende Positionen und größere Handlungsfreiheit verlangt hat: Beinfreiheit. Unter mangelnder Beinfreiheit leiden gewöhnlich die Passagiere in der „Economy Class“, vor allem auf Langstreckenflügen.

Auf einen solchen Flug hat sich der Ex-Finanzminister gerade eingelassen. Ein ganzes Jahr muss er bis zur Landung im Wahl-Herbst 2013 kämpfen, so lange soll seine Kampagne den Spannungsbogen halten. Dabei fühlt sich der Kandidat eingezwängt von den engen Vorgaben sozialdemokratischer Reisevorschriften. Für seine Unabhängigkeit von Freund und Feind, auf die er nun pocht, schätzen die Bürger den Mann klarer Worte. Seine eigene Partei weiß zwar um die Attraktivität dieses Faktors, der zur Inszenierung des Anti-Politikers Steinbrück gehört. Doch zugleich schürt sein Selbstbewusstsein in der SPD die Angst, der 65-Jährige könne es mit seiner Autonomie so weit treiben, dass als heilig erachtete Inhalte des Parteiprogramms auf der Strecke bleiben. Parteilinke werden in diesem Jahr noch häufig vor die Presse treten, um den Kandidaten abzumahnen.

Dabei wird es nicht nur um die Höhe des Rentenniveaus im Jahr 2030 gehen, sondern auch ganz grundsätzlich um sozialdemokratische Machtoptionen. Steinbrück hat sich festgelegt: Er wird nie mehr in ein Kabinett Merkel eintreten und will mit den Grünen regieren. Und die wollen bekanntlich auch mit ihm.

Bildergalerie: Merkel und Steinbrück

Viel kann passieren in einem Jahr, auch der große Vorsprung der Kanzlerin in Umfragen ist kein Naturgesetz. Aber ohne verbreitete Wechselstimmung bleibt die Wahrscheinlichkeit gering, dass es 2013 für eine rot-grüne Mehrheit reicht. Man muss kein Sozialdemokrat sein, um eine Neuauflage der großen Koalition unter Angela Merkel für verhängnisvoll zu halten. Das Land würde womöglich solide regiert, aber das Schicksal der ehemaligen Volkspartei SPD wäre dauerhaft besiegelt, die Ränder würden gestärkt, der Parlamentarismus ausgehöhlt. Die Ampel mit Grünen und FDP könnte ein Ausweg sein.

Noch schreit die Mehrheit der Sozialdemokraten bei der Vorstellung auf, der Partei Guido Westerwelles noch einmal an den Kabinettstisch zu helfen. Aber der Zug muss sich in Bewegung setzen, auch wenn das nun einmal mit gewissen Gefahren verbunden ist, worauf der Ex-Finanzminister auch sonst gerne hinweist: Vorsicht an der Bahnsteigkante!

Es ist wenig wahrscheinlich, dass Steinbrück, der parteiferne Ökonom, selbst die Überzeugungs- und Bindungskraft entfalten kann, um die Genossen auf diese neue Option vorzubereiten. Wenn er auch noch diese Beinfreiheit beansprucht, würde ihn wahrscheinlich ein SPD-Sonderparteitag zwangsweise auf Rot-Grün festnageln.

Deshalb müssen die Troika-Mitstreiter Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier mit dem Aufweichen der Position beginnen, die sozialdemokratische Stimmenkönigin und Stimmungsfinderin Hannelore Kraft erst recht. Es ist wahr, noch gibt es kaum eine inhaltliche Gemeinsamkeit mit der FDP. Aber die Ampel, so die Liberalen noch einmal in den Bundestag kommen, wäre fast schon ein Gebot der Demokratie.

Mit anderen Worten: Auf dem langen Weg zurück an die Macht warten auf die SPD noch weit schlimmere Zumutungen als nur die kantige Persönlichkeit von Peer Steinbrück. Es könnte sich lohnen, sie auszuhalten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false