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Meinung: Die Prasselbande

Schwarz-Rot hat alles Mögliche im Sinn – der Schuldenabbau gehört nicht dazu

Von Antje Sirleschtov

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Damit sich der Finanzminister nicht blamiert, muss er in diesem Jahr vier Milliarden Euro in einem Schattenhaushalt verstecken. Denn nur mit diesem Trick kann Peer Steinbrück verhindern, dass die große Koalition den unverhofften Milliardensegen anderweitig verbrät.

Oder, was noch schlimmer wäre: Es könnte jemand auf die Idee kommen, dieses Jahr vier Milliarden Euro weniger Kredite aufzunehmen. Steinbrücks mühsames Haushaltsgerüst des Schuldenabbaues in Trippelschrittchen ab 2008, das er morgen im Kabinett verabschieden will, geriete dann vollends aus den Fugen. Und es würde sich offenbaren, was der SPD-Finanzminister und seine Kanzlerin von der CDU bisher geschickt zu bemänteln suchen: Die große Koalition hat alles Mögliche im Sinn. Nur das Land so rasch wie möglich von seinen Schulden zu befreien, das gehört wohl nicht dazu.

Anders kann man das Ziel, sich vom Schuldenhaushalt erst 2011 verabschieden zu wollen, kaum deuten: Zwei große Regierungspartner schrecken vor der eigenen Courage zurück. Statt endlich Ordnung in den Schlendrian zu bringen, der jahrzehntelang die deutsche Haushaltspolitik bestimmt hat, setzen sie auf das gleiche Putzmittel wie ihre Vorgänger: die Konjunktur. Schröder/Eichel hatten damit Pech. Ihnen verhagelten die mageren Steuereinnahmen der wirtschaftlichen Flaute regelmäßig bitter die Etatbilanz. Sie waren gezwungen, grausige Sparprogramme mitten in die Depression hinein umzusetzen. Merkel/Steinbrück geht es jetzt genau andersherum: Sie versinken beinahe in den Steuereinnahmen, die ihnen Unternehmen und Lohnsteuerzahler in die Kasse tragen. Und was machen sie daraus? Sie treiben die ohnehin boomende Konjunktur mit zusätzlichen Ausgabenprogrammen an. Erst ein 25-Milliarden-Euro teures Impulsprogramm, jetzt weitere zehn Milliarden Euro Zusatzinvestitionen. Und wer weiß, womit die Regierung Ende August ihre Klausur im Schloss Meseberg beenden wird. „Nun mach mal halblang“, wird man dort wohl keine Regierungschefin zu ihrem sparsamen Finanzminister sagen hören.

Um die Leidtragenden einer solchen Politik identifizieren zu können, muss man sich nur an die Eichel-Zeiten zurückerinnern. Weil es auch Rot-Grün versäumt hatte, im Aufschwung zuvor die Struktur des Bundeshaushaltes zu ändern, wurden in der Haushaltsnot Sozialversicherungsbeiträge angehoben und Ausgabenprogramme zusammengestrichen. Die Schwächsten der Gesellschaft, Rentner etwa, trugen daran am schwersten. Von der depressiven Wirkung der damaligen „Giftlisten“ des Sparens auf die Bevölkerung und die kleinen Betrieben ganz zu schweigen.

Niemand in der großen Koalition muss solche Listen heute fürchten. Wenn die Einnahmen des Staates sprudeln, sind schmerzhafte Sparattacken gar nicht nötig. Es würde schon genügen, zusätzliche Ausgaben zu meiden. Vielleicht ruft ja doch jemand: „Mach mal halblang, Peer.“

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