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Die Regierung: Seht den Vulkan

Der bundespolitische Betrieb hat in letzter Zeit dem Vorurteil üppig Nahrung geliefert, er sei weiter nichts als eine Mischung aus engstirniger Klientelwirtschaft und Suche nach dem kleinsten taktischen Vorteil, dargeboten im Stil des Vorstadttheaters. Geschadet hat es dem Image des Betriebs als ganzem. In Afghanistan sterben die Soldaten. Die das zu verantworten haben, sind Rechenschaft schuldig.

Von Robert Birnbaum

Und der Himmel so blau …

Vom Tanz auf dem Vulkan weiß man, dass er riskant ist. Politik unter der Aschewolke ist eine neue Erfahrung. Eine Trauerfeier schrumpft vom Treffen der Weltmächtigen zur Begegnung derer, die durchkamen. Ein unerschrockener Afghanistan-Befehlshaber kapituliert vor dem Flug durch den feinen Staub. Die Kanzlerin wird in Kalifornien vom Eyjafjallajökull überrascht; sie zuckelt samt Tross heimwärts, zwei Tage zu Bus über die Alpen. Von Angela Merkel wird dabei der Satz berichtet, dass es reiche, zu Beginn der Arbeitswoche in Berlin zu sein: „Dann ist doch alles gut.“ Politik unter dem Vulkan – führt das am Ende, bei Verzicht auf Protokoll, zur Konzentration aufs Wesentliche?

Anlass genug dafür gäbe es. Der bundespolitische Betrieb hat in letzter Zeit dem Vorurteil üppig Nahrung geliefert, er sei weiter nichts als eine Mischung aus engstirniger Klientelwirtschaft und Suche nach dem kleinsten taktischen Vorteil, dargeboten im Stil des Vorstadttheaters. Man muss da gar nicht nur an den Komödienstadl eines von der Angst vorm jähen Absturz aufgescheuchten FDP-Vorsitzenden denken. Andere waren kaum besser. Geschadet hat es dem Image des Betriebs als Ganzem.

Anlass gäbe es erst recht der Sache nach. In Afghanistan sterben die Soldaten. Die das zu verantworten haben, das Parlament und die Regierung und übrigens in dieser Reihenfolge, sind ernsthafte Rechenschaft schuldig. Merkel immerhin hat das nach langer Zurückhaltung verstanden; in ihren letzten Erklärungen zum Thema Afghanistan hat sie klarer die Position gehalten, als man das sonst oft kennt. Die nächste Regierungserklärung muss und wird folgen.

Von der Konzentration aufs Wesentliche ist die deutsche Debatte trotzdem weit entfernt. Wesentlich wäre eine Diskussion, was sich am Hindukusch mit den – knappen – Mitteln, die wir einzusetzen bereit sind, erreichen lässt und was nicht. Zu besichtigen sind stattdessen Ausweichmanöver: Amateur-Militärs stürzen sich auf Ausrüstungsdetails, als ob Kanonenrohre das Sterben verhindern könnten. Amateur-Juristen entfachen Schaugefechte um Worte. Parteitaktiker inzwischen jeder Couleur suchen den richtigen Moment für den Ausstieg.

Ohnehin ist dem Vulkan vorzuwerfen, dass er den bundesdeutschen Wahlkalender nicht kennt. Er ist zu früh ausgebrochen. Dass die CDU-Vorsitzende seinethalben einen Wahlkampfauftritt verpasst hat, ändert zu wenig daran, dass der Wahltag in NRW düster über der politischen Szene hängt. Für Konzentration auf wesentlich anderes als den 9. Mai bleibt wenig Raum. Eher nimmt das Schauspielwesen noch zu. Die schwarz- gelbe Koalition spielt Einigkeit – nun ja, ein wenig, die Hauptfragen von Steuer bis Atomausstieg bleiben ungeklärt. Die Opposition spielt Operette: Rot-Grün, so singt sie im Quintett, liege wieder in der Luft. Ach, der Himmel so blau! Dabei kann es sogar so kommen in Düsseldorf, wenn auch eher zufällig, wie ohnehin die Umfragen darauf hindeuten, dass die künftige Regierung im größten Bundesland eine Zufalls-Farbenkombination sein wird. In Berlin haben sie vorsichtshalber schon nachgeschaut, dass 90 Prozent des Koalitionsvertrags sich auch ohne Bundesrat umsetzen ließen.

Nur sind die restlichen zehn Prozent die wesentlichen. Man muss diesem Eyjafjallajökull also einen recht langen Atem wünschen. Irgendjemand wird die Konzentration erzwingen müssen. Und wer, wenn nicht der fauchende Vulkan?

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