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Meinung: Die Richter des Henkers

Die Todesstrafe trennt Europa von Amerika. Und von Arabien?

Der US-Präsident will, dass Saddam Hussein hingerichtet wird. In Europa ist das eine Schlagzeile, das Reizwort „Todesstrafe“ erhitzt die Gemüter. In Amerikas Zeitungen muss man nach der Meldung suchen. Die Mehrheit der Bürger wird nicht von Zweifeln geplagt, welches Schicksal der Tyrann zu erwarten hat. Vor Bush haben prominente Demokraten seine „ultimative Bestrafung“ verlangt. Da herrscht weitgehend Konsens.

Eignet sich das Thema für eine Neuauflage des transatlantischen Streits? Voraussichtlich wird Saddam weder vor ein amerikanisches noch ein europäisches Gericht gestellt, sondern vor ein irakisches. Der Prozess muss fair sein und öffentlich. Internationale Völkerrechtsexperten müssen beteiligt werden, der Angeklagte hat nicht nur Verbrechen gegen sein Volk begangen, sondern auch gegen Iraner und Kuwaiter. Darf man die Iraker bevormunden, wie sie über ihren Ex-Despoten zu richten haben? Oder ihnen gar das Recht dazu absprechen? In der arabischen Welt ist die Todesstrafe üblich. Sie ausgerechnet im Fall Saddam zu kritisieren, wirkt willkürlich.

Hätten die Iraker Saddam selbst gestürzt und standrechtlich erschossen wie die Rumänen Ceausescu, hätte sich wohl kein Mensch empört. Zurückhaltend waren die Europäer auch, als die Israelis Adolf Eichmann hinrichteten. Selbst die Philosophin Hannah Arendt, der Rachsucht unverdächtig, forderte dessen Tod. Geht es nicht vielen so, die die Todesstrafe ablehnen: dass sie im Fall von Massenmördern wenig Gewissensbisse verspüren?

Da drängt sich die Frage auf, ob es manchen Entrüsteten weniger um Saddam geht als um das Gefühl moralischer Überlegenheit? Aber das wäre doch grotesk: von den amerikanischen Besatzern zu fordern, sie sollten in Bagdad europäische Bedingungen für den Prozess diktieren – Bush, dessen Heimatstaat Texas alle Hinrichtungsrekorde hält, verbietet den Irakern, gegen einen der übelsten Despoten das Todesurteil zu verhängen.

Der Prozess kann ein historischer Moment werden. Wichtiger als das Ergebnis aber ist das Verfahren. Noch nie musste sich ein arabischer Despot vor einem Gericht verantworten. Es käme einer Revolution gleich, wenn „Al Dschasira“ detailliert über die Verbrechen der Baath-Diktatur berichten würde. Wenn die Geschundenen öffentlich von ihrem Leid erzählten. Sollte diese Aussicht die Europäer nicht stärker bewegen als die Frage, was aus Saddam Hussein wird?

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