zum Hauptinhalt
Drei Gäule im Stall - aber kein richtig gutes Pferd? Die drei Mitglieder der SPD-Troika ringen um eine Kanzlerkandidatur.

© dapd

Die SPD und die K-Frage: Die kleinen Trickser der Troika

Die Sommerpause nutzen die drei möglichen Kanzlerkandidaten der SPD, um sich jeder auf seine Art wieder ins Gespräch zu bringen. Keiner will offenbar zurückstecken. Doch der größte Fehler der Genossen wäre es, jetzt die Geduld zu verlieren und den Kandidaten zu früh zu küren.

Angela Merkel kommt an diesem Montag aus dem Urlaub zurück und nimmt in Berlin ihre Amtsgeschäfte wieder auf. Am Freitag bereits zierte ihr Konterfei das Magazin der Süddeutschen Zeitung. Sommerlich unterhaltsam und weitgehend politikfrei beantwortete sie dort die meist belanglosen Fragen von 37 Prominenten. Ein Jahr vor der Bundestagswahl ist Merkel unverkennbar bemüht, Selbstbewusstsein und Gelassenheit zu demonstrieren.

Einmal mehr versuchte sie ihren innerparteilichen Kritikern zu signalisieren: Seht her, auf die Kanzlerin kommt es an. Kurz bevor es in Berlin wieder richtig ernst wird, versuchte sie zudem, die sich zuspitzende Eurokrise, die Probleme der Energiewende sowie den schwarz-gelben Dauerstreit wegzuplaudern.

Anders als CDU, CSU und FDP ist die SPD bislang erstaunlich ruhig durch das Sommerloch gekommen. Ein Sommertheater haben Sigmar Gabriel, Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier vermieden. Vor allem bei der wichtigen Euro-Frage präsentierte sich die sozialdemokratische Troika geschlossen. Gemeinsam gingen sie auf Distanz zu Merkel und plädierten für eine gemeinsame Haftung der Eurostaaten, für eine strenge Haushaltskontrolle sowie für eine Volksabstimmung. Der heiklen innerparteilichen Rentendiskussion und der Frage, wie weit sich die SPD von der Rente mit 67 wieder verabschiedet, gingen die Drei hingegen aus dem Weg.

Bildergalerie: Stationen im politischen Leben von Frank-Walter Steinmeier

Doch zugleich war das Bemühen von Gabriel, Steinbrück und Steinmeier unverkennbar, die Sommerpause für die jeweils eigenen Karrierepläne zu nutzen. Jeder versuchte, auf die ihm eigene Art Punkte zu sammeln. Auch auf kleine Tricks verzichten sie im innerparteilichen Ringen um die Kanzlerkandidatur nicht. Offenkundig ist keiner der drei Troikaner bereit, seine Ambitionen zurückstecken.

Allen voran Parteichef Sigmar Gabriel profiliert sich seit Wochen als sozialdemokratischer Stichwortgeber für die politischen Sommerdebatten. Erst setzt er familienpolitisch ein Signal und verabschiedet sich als junger Vater in die Elternzeit. Wenig später veröffentlicht er seine acht Thesen zur Verantwortung der Banken für die Finanzkrise und schließlich setzte er für die SPD in Sachen Euro neue Akzente. Dass in der SPD eigentlich der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück als Mr. Euro gilt, störte den Parteichef dabei wenig. Dass er seinem Parteifreund die Show stahl, geschah sicherlich nicht ohne Absicht.

Ohne Zweifel hat der als sprunghaft geltenden Gabriel in der Troika und in der SPD zuletzt an Autorität gewonnen. Niemand zweifelt mehr daran, dass dem Parteichef bei der K-Frage das erste Vorschlagsrecht gehört. Gabriel ist der Kandidatenmacher, von einer Urwahl hingegen ist in der SPD schon lange nicht mehr die Rede. Und wenn der Parteichef es selber machen will – und vieles spricht dafür, dass er will – dann wird ein Teil der Funktionäre und Mandatsträger murren, die große Mehrzahl der SPD-Mitglieder dies hingegen akzeptieren.

Dass sich Gabriel eine strategisch günstige Position erarbeitet hat, hat offenkundig auch Fraktionschef Steinmeiern erkannt. Dieser schickte nun seine innerparteilichen Fürsprecher vor. Die sind gewichtig. Zu ihnen gehören zum Beispiel die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen Hannelore Kraft sowie ihr schleswig-holsteinischer Amtskollege Torsten Albig. Der Spiegel verkündete deshalb bereits, Steinmeier gelte mittlerweile als klarer Favorit auf die Kanzlerkandidatur, weil er in der Partei die meisten Unterstützer habe. Einen objektivierbaren Beleg für diese These gibt es allerdings nicht, vielmehr haben die Einflüsterer aus dem Steinmeier-Lager gute Arbeit geleistet.

Auch Peer Steinbrück sieht dies selbstredend anders. Zwar war es um den Dritten im Bunde der möglichen sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten zuletzt ziemlich ruhig geworden. Doch nun ließ sich Steinbrück von einem Reporterteam des „Stern“ beim Basisbesuch in Nordrhein-Westfalen begleiten, um seine Ambitionen zu unterstreichen. In wohlwollenden Worten und weichgezeichneten Bildern wird dabei vor allem eine Botschaft verkündet, ich bin noch dabei. Im September will Steinbrück seine Thesen zur Regulierung der Finanzmärkte präsentieren.

Und weil sich mittlerweile prominente die Anhänger von Steinmeier aus der Deckung wagten, meldete sich mit dem baden-württembergischen SPD-Vorsitzenden Nils Schmid auch ein prominenter Steinbrück-Fan zu Wort. Der Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Bartels nannte diesen in der Bild-Zeitung eine „echte Alternative zu Merkel“. Der Seitenhieb gegen Steinmeier, dem innerparteiliche Kritiker sein gutes Verhältnis zur Kanzlerin vorwerfen, saß.

Die ungeklärte Führungsfrage lähmt die Sozialdemokratie

Der Druck im sozialdemokratischen Kessel wächst. Manche Genossen drängen deshalb darauf, die K-Frage schon im September und nicht erst Anfang kommenden Jahres und damit nach der Landtagswahl in Niedersachsen zu entscheiden. Doch auch bei dieser Diskussion hier sind die innerparteilichen Trickser am Werk. Unverkennbar ist, dass die Zeit für Sigmar Gabriel spielt. Also drängen vor allem dessen Gegner in der SPD auf eine schnellere Entscheidung.

Natürlich lähmt die ungeklärte Führungsfrage die Sozialdemokratie, keiner der drei möglichen Herausforderer kann es derzeit in Sachen Beliebtheit mit Kanzlerin Merkel aufnehmen. Möglicherweise war das Troika-Konzept von Anfang an falsch, weil es das sozialdemokratische Führungsdilemma konservierte und den Kandidatenkreis zu früh einschränkte. Doch jetzt muss die SPD bei ihrem Zeitplan bleiben.

Es wäre ein großer taktischer Fehler, den Kanzlerkandidaten zu früh zu küren. Und dabei ist es völlig egal, wer am Ende das Rennen macht. Die Gefahr, dass dem SPD-Kandidaten in einem langen Wahlkampf die Luft ausgeht, ist für Gabriel, Steinbrück und Steinmeier gleichermaßen groß. Ein langer Wahlkampf verschleißt den Herausforderer schneller als die Amtsinhaberin. Der Regierung bleibt viel Zeit, um sich zu munitionieren.

Zwei Gründe sprechen darüber hinaus dafür, dass die SPD die Kandidatenfrage erst Anfang kommenden Jahres entscheidet.

Bildergalerie: Merkel lobt Schwarz-Gelb - und geht in den Urlaub

Erstens kann die Kanzlerin in den kommenden Wochen noch viele Fehler machen. Ihre Koalition muss noch so manche unpopuläre Entscheidung fällen. Griechenland und der Euro, Energiewende, Wahlrecht, Betreuungsgeld, Ehegattensplitting, Zuschussrente - die Liste der schwarz-gelben Baustellen ist lang. Solange die Koalitionspartner streiten, ist es besser, wenn sich kein sozialdemokratischer Kanzlerkandidat mit ins Getümmel wirft. Vor allem jedoch sollte die SPD der Union mit der zu frühen Festlegung auf einen Kandidaten nicht die Gelegenheit geben, von den Problemen in den eigenen Reihen ablenken zu können, in dem sie die Landtagswahl in Niedersachsen zu einer Kanzlertestwahl stilisieren.

Zweitens braucht die SPD eine Antwort auf die Bündnisfrage. Rot-Grün hat in Umfragen derzeit keine Mehrheit, die FDP zeigt kein großes Interesse an einer Ampelregierung. Rot-Rot-Grün fehlt jede Akzeptanz. Solange die SPD jedoch keine eigene Machtperspektive hat und das ganze Land davon ausgeht nach der Wahl kommt es sowieso zu einer Großen Koalition, ist die Gefahr groß, dass der SPD-Kanzlerkandidat in der Öffentlichkeit als Vizekanzlerkandidat verhöhnt wird.

Erst nach der Landtagswahl in Niedersachsen könnte bei der Frage, wer regiert mit wem, noch einmal eine neue Dynamik entstehen. Vor allem dann, wenn Schwarz-Gelb in Hannover die Mehrheit verfehlt, könnte die FDP versucht sein, sich machtpolitisch deutlicher von der Union abzusetzen.

Bevor die SPD also ihren Kanzlerkandidaten kürt, sollte sich die Partei noch ein paar Monate in Geduld üben. Ihre kleinen Tricks hingegen sollten sich die drei Troikaner sparen, denn diese beschädigen die SPD vor allem insgesamt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false