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Meinung: Die Stille nach dem Sturm

Der Krach um Eichels Haushalt bleibt aus, weil die Koalition jeden Mut verloren hat Die Koalition hofft nur noch dem Aufschwung entgegen

Von Antje Sirleschtov

Erstaunlich, wie viel Zuversicht Hans Eichel hat. Er glaubt daran, im nächsten Jahr den europäischen Stabilitätspakt einhalten zu können – trotz aller Probleme, die Lücken im Haushalt 2005 zu stopfen. Und haben sie Frieden geschlossen, die rot-grünen Minister und ihr Kassenwart, erst recht nach dem Wahlschock? Kein böses Wort hört man aus den Haushaltsgesprächen, bei denen Eichel den Kollegen alljährlich das Geld unter lautem Wehgeschrei abpresst. In zehn Tagen beschließt das Kabinett über den Haushalt. Die Opposition will schon vorher Klarheit: Die FDP fordert eine Regierungserklärung des Bundeskanzlers zur Finanzlage. Sie wird warten müssen.

Merkwürdig, die finanzpolitische Eintracht in der rot-grünen Koalition. Denn es gibt eigentlich keinen Grund dafür. Noch immer laufen die Steuereinnahmen den Planungen weit hinterher, drohen höhere Kosten und Schulden: 18 Milliarden Euro groß ist das Loch, haben die Grünen errechnet, das die Regierung zu stopfen hat, damit der Haushalt nicht schon gegen das Grundgesetz verstößt, bevor das Jahr 2005 überhaupt begonnen hat.

Wenn der Finanzminister den Haushalt 2005 im Kabinett vorlegt, dann wird dieser wie kein anderer zuvor den Blick auf das freigeben, was ein Haushalt dem Wortsinn nach ist: Nämlich das in Zahlen gegossene politische Konzept einer Regierung für ein ganzes Jahr. Und dieses Konzept der Regierung Schröder heißt schlicht Abschied. Und zwar von dem mutigen Ziel, die maroden Staatsfinanzen zumindest im Ansatz in Ordnung zu bringen. Die Koalition hofft nur noch sehnsüchtig dem Aufschwung entgegen. Auf dass er ein paar neue Jobs bringe, bevor die Wähler nächstes Jahr in Nordrhein-Westfalen zur Abstimmung gehen. Und dass er dann bis zur Bundestagswahl möglichst viele Steuereinnahmen beschere, mit denen man die Haushaltslöcher einfach zudecken kann. Stellungsspiel also auf der Regierungsbank. Und alle stellen sich Hand in Hand neben Hans Eichel an der Torlinie auf.

Indizien dafür gibt es zuhauf. Nicht nur in der rot-grünen Steuerpolitik, die schon im Dauerurlaub ist, obwohl die Einnahmesysteme des deutschen Staates einer dringenden Generalprokurator bedürfen. Auch bei den Ausgaben herrscht Selbstzufriedenheit, gelegentlich unterbrochen durch den Hinweis, dass die Union im Bundesrat ja ohnehin alles blockiert.

Dabei weiß man doch, dass die Voraussetzung für das wirksame Eindämmen der Neuverschuldung des Staates erneute Einschnitte in die sozialen Sicherungssysteme sind. Davon allerdings will in der Koalition derzeit niemand etwas wissen. Lieber konzentriert sich die Regierung auf den Abbau von Mini-Subventionen. Ein paar Bauern, soviel steht wohl schon fest, werden dran glauben müssen, wenn Renate Künast ihnen die Vergünstigungen beim Agrarsiegel einkürzt. Und den Behinderten in Hamburg, denen wird man die kostenlose S-Bahnfahrt in Berlin wegstreichen. Als Beweis dafür, wie ernst es um Deutschland mittlerweile steht. Haushaltskomitee also. Zu mehr fehlt der politische Mut.

Und die Milliardenlöcher? Nichts leichter als das. Die wird Eichel wieder mit cleveren Tricks wegmogeln: Indem er dicke Erlöse für Privatisierungen in die Bücher schreibt und riesige globale Minderausgaben ausweist, von denen man schon jetzt ahnt, dass solche Sparzulage später kaum einzulösen sind. Wann auch sollte das große Kürzen beginnen? Im nächsten Winter, wie Eichel verspricht, wenn der Aufschwung wirklich gekommen ist? Keine Chance. Die vielen Steuern, die brauchen Hans Eichels Ministerkollegen dann zum Ausgeben – im Wahljahr 2006.

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