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Meinung: Die Verstörung

Köhler (I): Wie ist es wirklich in Deutschland? Der Präsident warnt die Kanzlerin

Von Stephan-Andreas Casdorff Wenn das keine Entfremdung ist bei zweien, die doch vorher eine große Koalition eingegangen waren. Die Rede ist von Präsident und Kanzlerin. Sie haben in der zentralen Frage, der Beurteilung der Lage im Land, sehr, sehr unterschiedliche Auffassungen. Die Kanzlerin sieht im „Spiegel“ Deutschland auf dem richtigen Weg und sich selbst an der Spitze; der Präsident rügt im ZDF „Sandkastenspiele“ der Parteipolitik, außerdem findet er, dass die Verantwortlichen die wirklichen Probleme, die Sachprobleme, nicht entschlossen genug angegangen wären. Die Worte des Präsidenten wirken warnend. Daraus kann ein Konflikt zwischen zwei Verfassungsorganen werden und ein Richtungsstreit, der auf die Regierungskoalition übergreift.

Horst Köhler sagt, was die Menschen sagen. Das ist gewissermaßen Originalton aus seinen Begegnungen im Land. Genau darin liegt die Bedeutung. Natürlich hat die große Koalition seit Amtsantritt vieles getan, das Gesetzesblatt ist voll davon. Aber vielleicht gerade wegen des für die Mehrheit bitteren Ergebnisses verbreitet sich bei den Bürgern das Gefühl, sie seien mit ihren Sorgen nicht in den besten Händen. Umverteilung von unten nach oben, Geschacher und Zank. Dazu passt auch Köhlers Satz, er glaube nicht, dass die Bevölkerung das auf Dauer gut finde.

Frappant ist, dass sich seine Worte von dem Mangel an Entschlossenheit dieser Regierung mit der Kritik an Angela Merkel treffen, sie sei nicht führungs- und nicht entscheidungsstark. Nun ist wohl richtig, dass die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende nicht gegen ihre Stellvertreter, die Regierungschefs in Bundesländern sind, große Politik machen kann. Doch hat sie es wirklich versucht?

Beim Gesundheitsthema hat Kanzlerin Merkel erst den Eindruck zugelassen, Seit an Seit mit der SPD zu marschieren, um sich dann in beide Richtungen geschlagen zu geben mit dem Eingeständnis, wenn sie höheren Steuern zustimme, könne sie gleich ihr Amt abgeben. Setzt sich Merkel allerdings doch einmal über Unionsgranden hinweg, sind es Bereiche, die christdemokratisches Selbstverständnis berühren. Siehe das Antidiskriminierungsgesetz; darüber haben sich die Unionisten immer noch nicht beruhigt.

So wächst allseits die Verstörung. Nicht nur über parteipolitische Sandkastenspiele. Horst Köhler ist nicht der Einzige, der sein Befremden laut äußert. Aber er tut es immerhin als die Nummer eins im Staat.

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