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Meinung: Die Welt geht unter – aber wann?

Zum Weltuntergang Wieso Weltuntergang? Schon Rudolf Tarnow (oder war es ein anderer plattdeutscher Dichter) wusste, dass der Kalender nicht länger sein kann, als das zur Verfügung stehende Papier es zulässt.

Zum Weltuntergang

Wieso Weltuntergang? Schon Rudolf Tarnow (oder war es ein anderer plattdeutscher Dichter) wusste, dass der Kalender nicht länger sein kann, als das zur Verfügung stehende Papier es zulässt. Wenn das Papier nur für 365 Tage reicht, kann das Jahr nicht länger sein, denn: „wo soll der Mann noch mehr Stempels hensetten?“ Und als gelernter Pommer oder Mecklenburger braucht man vor derartigen Ereignissen ohnehin keine Bange zu haben. Das passiert doch bei uns mindestens 50 Jahre später. Und dann ist möglicherweise sogar schon der „neue Flughafen“ fertig und wir können abheben!

Paul G. A. Krüger, Sachsenhausen

Sehr geehrter Herr Krüger,

in den vergangenen Wochen habe ich mich manchmal in Ihre Heimat gewünscht. Dorthin, wo angeblich alles etwas zeitverzögert stattfindet. Dann hätten ich und einige andere Genervte nämlich Ruhe vor dem Bohei um die Nullstellung des Maya-Kalenders gehabt. Denn diese Erkenntnis, dass der 21. Dezember für die Zeitrechnung der mesoamerikanischen Völker nur so etwas ist wie unser Neujahrstag (gut, der kommt etwas häufiger vor), tauchte in vielen Medien nur untergeordnet auf. Immer wieder wurde über einen – von den Maya zu keiner Zeit prophezeiten – Weltuntergang spekuliert. Und je näher der Tag kam und je abstruser die apokalyptische Interpretation erschien, umso häufiger wurde in den nicht enden wollenden Beiträgen zum Thema der Tonfall „Natürlich ist das Quatsch, aber wer weiß, ob nicht vielleicht doch ...“ gewählt.

Auch wenn viele diesem nachgeschobenen Halbsatz zustimmten, blieb er doch eine haltlose Behauptung. Diese vage Andeutung, der 21. Dezember könnte vielleicht doch ein Schicksalstag sein, fußt auf jenem Gedankengang, über den sich unter anderem der von Ihnen genannte Volksdichter lustig machte: Die Anmaßung des Menschen, dass irgendwelche Vorgänge auf Erden oder am Himmel auch nur im geringsten etwas mit ihm zu tun haben müssten.

Den astronomischen Jahreslauf gibt es auf unserem Planeten seit viereinhalb Milliarden Jahren. Der Mensch hat ihn zwar vor kurzem mit ein paar Zahlen versehen. Doch das schert unser Sonnensystem überhaupt nicht; es läuft auch ohne die willkürliche Nummerierung. Und wenn es einmal zum Kollaps der Erde kommt, dann stehen die Chancen dafür, dass es an einem bestimmten herbeiorakelten Datum im Jahreskreis passiert, bei ungefähr 1 zu 365. Anders ausgedrückt: Jegliche Übereinstimmung mit einem besonderen Termin wäre purer Zufall.

Dass dieses Ende kommt, ist ausgemacht. In ungefähr sieben Milliarden Jahren wird unsere Sonne zum Finale furioso ansetzen und sich gewaltig aufblähen – so sehr, dass unser Heimatplanet voraussichtlich vom Sonnenfeuer umschlossen wird. Mag sein, dass derartige Kalkulationen einige Fehler enthalten und der Glutball womöglich kleiner sein wird, sich vielleicht auch einige Jahrmillionen früher ausdehnt. Das kann uns aber egal sein. Erstens wird auch die Variante „Kleiner Feuerball“ lange vor dem Schlussakkord die Ozeane verdampfen und jegliches Leben verlöschen lassen, so dass die Ausdehnung der Sonne in jedem Fall das Ende der Erde ist, wie wir sie kennen. Vor allem aber ist die erwartete Restlaufzeit unseres Planeten in diesem Szenario um ein Vielfaches größer als das, was selbst Optimisten der Menschheit zutrauen.

Der Blick in die Erdgeschichte zeigt, dass höher entwickelte Lebensformen allenfalls ein paar hundert Jahrmillionen mitspielen. Die wahren Durchhalter sind anspruchslose Einzeller. Für alle anderen wird’s gefährlich, wenn gravierende Änderungen eintreten. Vor allem gigantische Vulkaneruptionen und Asteroidentreffer haben in der Vergangenheit zahlreichen Tierarten ein Ende gemacht. Zugleich schufen sie Lücken, in die Lebewesen mit anderen Fähigkeiten vorstoßen konnten. So schlimm die einzelnen Massensterben waren, etwa für die Dinosaurier oder die an kriechende Ritterrüstungen erinnernden Trilobiten, so hoffnungsvoll ist die Botschaft, die hinter den radikalen Einschnitten steckt: Die Erde hält viel aus, sie kann sich immer wieder selbst Leben einhauchen.

Daran werden auch die paar Asteroiden nichts ändern, die uns in Zukunft in die Quere kommen. Mit Sicherheit werden immer wieder Brocken auf die Erde donnern, auch große. Alles andere wäre unnatürlich. Bevor man in Panik gerät, sollte man jedoch stets die Dimensionen im Blick behalten. So schätzen Experten, dass die Erde im Schnitt nur alle 500 000 Jahre von einem Brocken getroffen wird, der mindestens einen Kilometer Durchmesser hat und damit global spürbare Auswirkungen haben kann. Nach allem, was Himmelsforscher überblicken können, besteht auf absehbare Zeit keine ernstzunehmende Gefahr durch Asteroiden.

Wer um Homo sapiens bangt, sollte dessen Geschichte anschauen. Dabei wird offenbar, dass wir uns viel mehr um Kriege, Krebs oder Alkoholmissbrauch sorgen sollten als um kosmische Treffer.

— Ralf Nestler ist Wissenschaftsautor

des Tagesspiegels.

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