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Die Zäsur: Ein Leben ohne Keule

Dieser Planet hat die Dinosaurier abgeschüttelt – uns Menschen soll er nicht loswerden können? Uns allen steht gerade in diesen Tagen das Gegenteil vor Augen: die durch eigenes Tun oder Unterlassen definierte Endlichkeit.

Der Mensch, wie er geht und steht, ist der eigentliche Mensch. Sagt der gläubige Mensch und meint damit gewiss auch die Fehlbarkeit jedes Einzelnen, die Zumutung, die mit dem einherkommt, was jeder von uns in seinem Leben, mit seinem Leben anstellt. Einem Leben, das er mit den anderen teilt, ob er will oder nicht. Kein Mensch ist sich selbst genug, keiner existiert allein aus sich selbst heraus. Der Mensch ist auf den anderen angewiesen. Das zeigt sich dem, der es nicht glauben will, an seiner Familie: Wer hat uns geboren? Wer hilft uns aufzuwachsen? Ein anderer Mensch. Darum ist ein Wertmuster für das, was Menschen, die in der Verantwortung für andere stehen, die von anderen in diese Verantwortung gestellt worden sind, vielleicht eben doch in gelebter Sozialität und gelebter Solidarität zu finden.

In diesen Tagen, wo politisches Handeln idealerweise nur mehr der Gesellschaft, sprich: uns allen im „Gemeinwesen“, zugute kommen sollte und nicht nur einem Teil, einer Partei – also in diesen Tagen muss sich zumal die politische Führung beweisen. Ein Teil weist nicht dem Ganzen den Platz an. Zeitliche Umstände ersetzen das Prinzipielle nicht. Denn: Jetzt ist sie da, die „Zäsur“, der gedankliche Einschnitt, das Ende aller Freiheit von allen Prinzipien außer dem einen, das Machterhaltung lautet. Wer das Wort Zäsur sagt, muss wissen, dass er dahinter nicht mehr zurückdarf; so wie die, die für die Bewahrung der Umwelt, für manche: der Schöpfung, bestimmt worden sind. Wer von ihnen dieses Wort sagt, darf es nicht rhetorisch meinen, sondern muss dem vielmehr sein Handeln anmessen. Die Sorge um die Welt, in der jetzt abermillionen Menschen vereint sind, diese Sorge um ihre Erhaltung übertrifft die Lebenszeit derer, die gerade regieren. Sie – aber auch wir, jeder Einzelne von uns, der mit den vielen anderen den „Souverän“ bildet – stehen in Pflichten für die nachfolgenden Generationen.

Die Zäsur ist mit jedem Tag nötiger geworden. Die Welt ist nicht Schuttabladeplatz rücksichtslosen Fortschritts. Ist nicht die Summe hinterlassenen Mülls oder ausgestoßenen Kohlendioxids, zu messen in Tonnen. Die Welt ist nicht endloser Verbrauch, nicht Maximierung aller Bedürfnisse, nicht Ausbeutung, Ausnutzung aller Möglichkeiten, weil sonst die Möglichkeit des Weiterlebens für die Menschheit immer weiter eingeschränkt wird. Dieser Planet hat die Dinosaurier abgeschüttelt – uns Menschen soll er nicht loswerden können? Uns allen steht gerade in diesen Tagen das Gegenteil vor Augen: die durch eigenes Tun oder Unterlassen definierte Endlichkeit. Der Mensch, wie er geht und steht, ist längst so weit, dass er sich auf vielfache Weise als Spezies sein Ende selbst bereiten kann. Oder aber er wagt es: Wagt eine wirklich grundlegende Neubeurteilung seiner Situation; wagt die Weiterentwicklung und legt endlich die vorzeitliche Keule weg, mit der er sich selbst schlägt.

Der Mensch ist nicht austauschbar, er hat kein Äquivalent, nicht auf dieser Erde. Darin liegt sowohl unsere Würde als auch die Bürde: die der Verantwortung. Wer sich die Erde untertan macht, der nimmt an allem, was geschieht, Anteil. Und hat damit logischerweise seinen Anteil an allem, was geschehen muss, um diesen Planeten lebenswert zu erhalten. Wie wäre es mit der Neudefinition unserer Pflichten? Wie wäre es mit Paradebeispielen rational begründeter Moralität? Das wäre erkannte und gelebte Verantwortung, wäre die bewusste Einschränkung der Zumutungen.

Wäre das eine Zäsur.

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