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Meinung: Die Zukunft des Computers liegt in Afrika

Roger Boyes, The Times

Es gibt Zeiten, da muss ich etwas nur touchieren – vielleicht mit meinem Unterarm leicht drankommen – und es geht kaputt. Es ist, als ob auf mir ein Fluch lasten würde. Es fing damit an, dass ich meinen Fernseher anschaltete und alle Privatsender weg waren. Keine Heidi Klum mehr, nur noch Fritz Pleitgen und Tatort. Der Mechaniker konnte sich auch nicht erklären, wie ein Fernsehgerät nur zur Hälfte zusammenbrechen kann. Mit der Antenne war alles in Ordnung. Dann schaute er sich meine Hände an. „Aha, Sabotagefinger“, sagte er und verlangte 64 Euro ohne Mehrwertsteuer. Die Anfahrtskosten erließ er mir.

Und dann gab mein Computer den Geist auf. Und Glühbirnen brannten durch. Ich fühlte mich wie in einem Stephen-King-Film, in dem sich die unterdrückten, von ihren menschlichen Besitzern schlecht behandelten Maschinen zur Wehr setzen. Das technische Equivalent zur orangenen Revolution, wodurch das Leben der ehemaligen Herren zum Stillstand kommt.

Während ich mit meinem Hund im Berliner Grunewald Gassi ging – sie kennen die Stelle, nahe Sabine-Christiansen-Platz, ein Stück die Udo-Walz-Allee hinunter – teilte ich mein Leid mit einem Labrador-Besitzer. „Trennen Sie sich von Ihren elektrischen Maschinen“, riet er mir. „Ich habe es getan, und es hat mein Leben verändert.“ Er sah ohne Frage gesund und geradezu fröhlich aus, obwohl es schien, als hätte er vor vielen Jahren an der russischen Front ein Teil seines Beins verloren.

Es gibt eine Wohltätigkeitsorganisation, stellte ich dann fest, die alte Computer annimmt, sie säubert und nach Afrika schickt. Das hört sich nach einer brillanten Idee an, auch wenn ich von Wohltätigkeitsläden aus ästhetischen Gründen nie viel gehalten habe. Ich liefere meine alten Bücher bei Oxfam am Ku’damm ab – erfreut stelle ich fest, dass meine Ausgabe von „Frauen in Bonn“ aus dem Jahr 1988 (größte Hoffnungsträgerin damals: Irmgard Adam-Schwaetzer) dort noch immer im Regal steht –, aber ich muss mich stählen, bevor ich in den Laden trete, der vollgepackt ist mit chemisch gereinigten Kleidungsstücken toter Menschen. Eigentlich reichen ja schon die Freiwilligen bei Greenpeace mit ihren Pferdeschwänzen, um einem die Wohltätigkeit fürs Leben zu vergällen. Seit meiner Glosse, in der ich Wale als faul und überflüssig bezeichnete, bin ich wohl auf irgendeinem Verteiler von Greenpeace gelandet, der meinen Computer zumüllte und vielleicht am Ende sogar zur Strecke gebracht hat.

Diese neue gemeinnützige Organisation (neu nur in Deutschland) heißt „Close-the-gap“ und hat meine Einstellung geändert. In Europa kommt auf zwei Menschen ein Computer; in Afrika ein Computer auf 100 Menschen. In Europa nutzt jeder Dritte das Internet; in Afrika ist es nicht einmal jeder 100. Ein neuer PC kostet in vielen Ländern Afrikas mehr als in Europa. Es herrscht ein digitales Gefälle. Da in manchen Büros Berlins alle drei Jahre die Computer ausgetauscht werden, wäre es sinnvoll die alten Geräte bei „Close-the-gap“ abzugeben, damit die dort erneuert und an Schulen in Afrika geschickt werden. In Südafrika gibt es zum Beispiel einen Reisebus mit elf Computern, Breitbandfernsehern und Satellitenempfang, der durch die Armenviertel fährt und den Kindern einmal in der Woche Zugang zum Internet bietet. Am Abend wird er als mobiles Aids-Informationszentrum genutzt. Wenn es je eine wohltätige Organisation gab, die Sinn machte, dann ist es diese.

Für meinen Computer, fürchte ich, ist es jedoch zu spät, um auf Safari zu gehen. Sein Ziel ist der Computerhimmel und er geht dorthin mit einer müden Festplatte, tausenden indiskreten E-Mails, verloren gegangenen Gedanken und für immer eingefrorenen Momenten. Ich hoffe, es wird ihm dort gut gehen. Sein Leben hier auf Erden war überwältigend nicht.

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