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Deutschland und Libyen: Die Zurückhaltung war richtig

Die Lobeshymnen auf die Nato sind voreilig - ebenso wie die Kritik an der Zurückhaltung der Bundesregierung. Westerwelle hat in seiner Libyen-Politik fast alles richtig gemacht. Nur gemerkt hat er das nicht.

Guido Westerwelle ist wirklich nicht zu helfen. Nicht, weil er zu lange zögerte, der Nato für ihren Beitrag zum Sturz von Muammar al Gaddafi Respekt zu zollen. Sein Versagen – und das von Kanzlerin Angela Merkel – besteht darin, dass sie die Nato nun für die Vertreibung des libyschen Machthabers aus Tripolis loben. Denn tatsächlich lagen sie mit ihrer bisherigen Haltung genau richtig. Mit der Enthaltung im UN-Sicherheitsrat bei der Abstimmung über ein UN-Mandat für den Nato-Einsatz in Libyen ebenso wie bei der späteren Zurückhaltung, in die Siegesrhetorik der beteiligten Nato-Staaten einzustimmen.

Die Nato hat ihr UN-Mandat viel zu weit ausgedehnt, schließlich sogar klar gebrochen. Eine Flugverbotszone sollte sie durchsetzen und die Zivilbevölkerung schützen. Einen Regime-Wechsel sah das Mandat hingegen nicht vor. Doch genau dies haben die Nato-Akteure angestrebt und die Rebellen in Libyen dazu immer offener unterstützt – mit Waffen, Ratschlägen, Geheimdienstinformationen. Am Ende bombten sie den Aufständischen gar den Weg zum Hauptquartier des Diktators frei.

Bei aller Freude darüber, dass nun auch die Operettendiktatur Gaddafis Geschichte ist: Das UN–Mandat gab diese Parteinahme nicht her. Politische Heißsporne wie Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy interessierte das freilich wenig. Nachdem er – ebenso wie andere, auch in Berlin – Gaddafi jahrelang hofiert hatte, wollte er nun unbedingt auf der richtigen Seite stehen. Doch statt eine Koalition der Willigen für den Einsatz zu schmieden, versteckte er sich lieber hinter den UN und setzte deren Autorität damit bewusst aufs Spiel. Es war doch gut, dass Berlin hier auf Abstand blieb.

Die Welt besteht aus mehr Staaten als Frankreich, England und den USA. Lesen Sie weiter auf Seite 2.

Wie groß der Ansehensverlust der UN im Fall Libyen tatsächlich ist, wird sich zeigen. Klar ist schon jetzt, dass eine historische Chance vertan wurde. Denn nicht nur Deutschland hat sich bekanntlich bei der Abstimmung über das Libyen-Mandat enthalten, sondern auch Russland und China. Indem sie auf ihr Veto im UN-Sicherheitsrat verzichteten, trugen sie den Einsatz indirekt mit. Das war alles andere als selbstverständlich. Libyen hätte also zum Präzedenzfall für eine neue internationale Zusammenarbeit werden können. Daraus wird nun nichts. Weder Moskau noch Peking dürften dem Westen noch einmal einen solchen Vertrauensvorschuss geben.

Auch in der arabischen Welt, vor allem in den Revolutionsstaaten, herrscht keineswegs nur Jubel über die Ereignisse in Libyen. Dort registriert man sehr genau, dass jene Staaten, die den Rebellen unter die Arme gegriffen haben, nun lautstark fordern, beim Wiederaufbau Libyens, nicht zuletzt bei lukrativen Rohstoffgeschäften, bevorzugt beteiligt zu werden. Und dass Baschar al Assad, der Herrscher in Syrien, weiter morden darf, lässt ebenfalls viele in der Region mit Unbehagen zurück.

Wer jetzt ein Debakel der deutschen Außenpolitik herbeiredet und Berlins Ansehen in der Welt beschädigt sieht, der vergisst, dass die Welt aus weit mehr Staaten besteht als Frankreich, Großbritannien und den USA, den Hauptakteuren beim Libyeneinsatz. Westerwelle hat fast alles richtig gemacht. Nur gemerkt hat er das nicht.

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