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Digitale Überwachung: Ein Roman wird Realität

Es ist ein höchst ungewöhnlicher Vorgang. Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika nutzt ein Interview mit einem deutschen Journalisten gezielt, ja, gewährt es überhaupt nur, um in der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit Verständnis für das Handeln der USA zu wecken.

Es ist ein höchst ungewöhnlicher Vorgang. Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika nutzt ein Interview mit einem deutschen Journalisten gezielt, ja, gewährt es überhaupt nur, um in der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit Verständnis für das Handeln der USA zu wecken. Dies belegt, dass die tiefe Verstimmung in Deutschland über das schamlose Registrieren von Mail- und Telefonverkehr durch die NSA zu einem Nachdenkprozess in Washington geführt hat. Bereits am Freitag wurde jedoch deutlich, dass Barack Obama allenfalls eine graduelle, aber keine grundsätzliche Änderung der Schnüffelpraxis zugesteht. Dem ZDF-Journalisten Claus Kleber gegenüber ließ er nun erkennen, worum es geht. Er sagte: „Per definitionem haben diese Dienste die Aufgabe, herauszufinden, was diese Leute vorhaben, was in ihrem Kopf vorgeht.“

Obama dachte bei dem Begriff „diese Leute“ an potenzielle Terroristen. Tatsächlich geht es um jeden von uns. Das gilt nicht nur für die NSA, sondern global, denn geschnüffelt wird ja unter Generalverdacht. Der Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Hans-Dieter Heumann, machte es im Tagesspiegel am Sonntag deutlich: Wir kommen in eine Situation, wie sie George Orwell in seinem Roman „1984“ beschrieben hat. Orwell schildert in dieser, damals fiktiven, Vorlage einen diktatorischen Überwachungsstaat, dessen Kontrollorgane präventiv gegen jeden vorgehen, dessen Verhalten auch nur andeutungsweise außerhalb der vom Regime gesetzten Normen liegt. Nicht abschaltbare Fernsehgeräte registrieren jede Bewegung und jedes Gespräch, über den Bildschirm wird kontrolliert und indoktriniert.

Weder in den USA noch in Deutschland droht eine Diktatur. Aber das Orwell’sche Überwachungspotenzial ist Realität. Man stelle sich vor, wie sich eine legal durch Wahlen an die Macht gekommene Regierung, zum Beispiel unter dem Eindruck eines Terroraktes, radikalisiert und als Notstandsmaßnahmen deklarierte Einschränkungen des Post- und Fernmeldegeheimnisses beschließt, um ein Supergrundrecht Sicherheit durchzusetzen. Spinnerei? Vorsicht – zu viel ist möglich, um nicht sehr nachdenklich zu werden.

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