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Dmitri Medwedjew: „Ich werde nicht lange reden“

Die "Operation Kronprinz" ging daneben: Vizepremier Medwedjew soll neuer Gasprom-Chef werden.

Nicht nur dieses Versprechen hatte Dmiti Medwedjew seinerzeit gebrochen. Auch sonst hielt der 52-Jährige sich bei seiner ersten Internetpressekonferenz im letzten Jahr an alle Ratschläge Tucholskys für schlechte Redner. Dass der Auftritt die gleiche olympische Dimension hatte wie Putins virtuelle Bürgersprechstunden, nahmen Beobachter als sicheres Zeichen dafür, dass Medwedjew, seit Ende 2005 Vizepremier und für Soziales zuständig, den Kreml-Chef bei den Präsidentenwahlen im März 2008 beerben soll.

Die Hypothese geriet schon bei der Ernennung von Viktor Subkow zum neuen Premier ins Wanken: Das Amt gilt als Sprungbrett für den Kreml. Seit gestern kann Medwedjew die Präsidentenkarriere wohl definitiv in den Rauch schreiben. Wie die stets gut unterrichtete Wirtschaftszeitung „Wedomosti“ unter Berufung auf Quellen in Putins Umgebung meldete, soll Medwedjew zum Vorstandsvorsitzenden von Gasprom ermannt werden und Alexej Miller ablösen.

Medwedjew würde dann eine Art Vorgesetzter von Altbundeskanzler Schröder, dürfte aber sonst an dem neuen Amt wenig Freude haben. Nicht nur wegen der vermasselten „Operation Kronprinz“. Denn seit Juni 2002 sitzt er dem Aufsichtsrat des Energieriesen vor. Dort aber fallen die strategischen Entscheidungen. Entsprechend höher sind dort auch die Bezüge.

Putin kennt den Juristen seit gemeinsamen Studientagen in St. Petersburg, machte ihn gleich nach seiner Ernennung zum Präsidenten, Ende 1999 zum Vizechef der Kreml-Administration und im Oktober 2003 zu dessen Leiter. Dass er jetzt so abrupt den Daumen über die politische Karriere Medwedews senkt, hat mehrere Gründe.

Uncharismatisch und kein Volkstribun, sondern eher dessen Gegenentwurf, kann Medwedjew Erwartungen der Masse, die potenzielle Nachfolger an Putins eigenen Qualitäten misst, nicht erfüllen. Vor allem aber: Medwedjew ist Wortführer der Liberalen in Putins Umgebung. Die indes stören bei den Plänen, die den Hardlinern zugeschrieben werden. Demzufolge soll nach den Wahlen die eigentliche Macht an den Premier übergehen. Das Amt soll mit Putin selbst besetzt werden, dem Politologen bisher Ambitionen auf den Chefsessel bei Gasprom nachsagten.

Zusammen mit Medwedjew sollen jetzt auch die letzten liberalen Minister entsorgt werden, heißt es in Moskau. Medwedew dürfte auf die neue Kabinettsliste, die schon heute erwartet wird, wohl mit Interesse warten. Elke Windisch

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