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Meinung: Doktor Fließband

„SPD will Zusatzgeschäfte von Ärzten regulieren“ vom 10. Mai In Zukunft wird mir unter Androhung des Entzugs meiner Kassenzulassung verboten, Sie in meiner Sprechstunde über naturheilkundliche Behandlungsmethoden zu informieren.

„SPD will Zusatzgeschäfte von Ärzten regulieren“ vom 10. Mai

In Zukunft wird mir unter Androhung des Entzugs meiner Kassenzulassung verboten, Sie in meiner Sprechstunde über naturheilkundliche Behandlungsmethoden zu informieren. Ich muss hierfür eine Privatsprechstunde einrichten. Die Gesundheitspolitik, die Ihnen nicht zutraut, den Arzt zu wechseln, wenn Sie das Gefühl haben, ausgebeutet zu werden, weiß besser als Sie, welche Medizin gut für Sie ist. Mit einer Reihe von Maßnahmen sorgt sie dafür, dass Ihre Versichertenbeiträge nur für eine Medizin ausgegeben werden, die leitliniengerecht ist. Leitlinien sollen eine Wissenschaftlichkeit in der Medizin sichern. Im Ergebnis führen sie nicht selten zu einer teuren Medikalisierung der Medizin. Dies ist auf die erfolgreiche Arbeit der forschenden Arzneimittelindustrie zurückzuführen, denn sie bezahlen nicht nur über Drittmittel medizinische Wissenschaft, sponsern die medizinischen Fachgesellschaften und gestalten die ärztliche Fortbildung. Ihre kostenlosen Abgesandten sitzen sogar in den Fachgremien des Gesundheitsministeriums. Bundeskanzler Schröder hat sich seinerzeit mit der Rücknahme des geplanten 16-prozentigen Preisabschlags bei der Pharmaindustrie bedankt und damit deren zweistellige Rendite gerettet. Seine Gesundheitsministerin Ulla Schmidt hat 2004 der forschenden Arzneimittelindustrie nach zehnjähriger Lobbyarbeit endlich den Wunsch erfüllt, die OTC-Medikamente und damit die Naturheilmittel aus der Erstattung der GKV herauszunehmen, damit mehr Geld für ihre Produkte zur Verfügung steht. Die Zulassungsverfahren für Medikamente wurden darüber hinaus gesetzlich dermaßen aufwendig gestaltet, dass im Arzneimittelsektor die lästigen mittelständischen Unternehmen zunehmend das Handtuch werfen müssen. Im Ergebnis dieser Politik hat nicht mehr recht, wer heilt, sondern wer die Studien bezahlt.

Ich werde Sie also in Zukunft an vier Tagen der Woche für 40 Euro pro Quartal im Schnelltakt strikt nach Leitlinien behandeln müssen. Wenn Sie lieber kreativ nach bestem ärztlichen Wissen und Gewissen behandelt werden möchten und ich den Versuch unternehmen soll, Ihre teure, nebenwirkungsreiche Dauermedikation durch eine sanftere Therapie zu ersetzen, oder ihre Krankheit naturheilkundlich zu heilen, dann besuchen Sie mich in meiner Privatsprechstunde. Mein Stundensatz ist geringer als die eines Installateurs. Wenn Sie sich dies nicht leisten können, bedaure ich dies zutiefst. Wenden Sie sich bitte an die Ortsgruppe Ihrer Partei und verlangen eine Änderung der Gesundheitspolitik.

Dr. Erich Freisleben, Berlin-Wedding

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