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Doppel-Gipfel: Die Gipfel der Lügen

G 8 und G 20 inszenieren große Geschlossenheit. Deutschland grenzt sich ab – zu Recht. Trotzdem ist Toronto nicht nur Show.

Dieser Doppel-Gipfel ist auch eine Art Konjunkturpaket. Allein Kanada wendet fast eine Milliarde Euro auf, um G 8 und G 20 von Freitag bis Sonntag willkommen zu heißen. Mehr als zwei Dutzend Staats- und Regierungschefs fliegen ein, die förmlichen Mitglieder und zusätzlich geladene Gäste, sie bringen Beamte, Berater, Wirtschaftsvertreter und Journalisten mit. Auch das kostet Unsummen.

Und der Ertrag? Wäre nicht eine Videokonferenz genauso gut, wie sie sich zwischen Barack Obama, Angela Merkel, Nicolas Sarkozy und Gordon Brown in Krisenzeiten eingebürgert hatte? Es werden doch ohnehin alle Widersprüche und Zwischentöne emsig so zugekleistert, dass am Ende die Lüge der vollständigen Harmonie und Geschlossenheit steht.

Ja, so ist es – und doch auch nicht. Gipfeltreffen entwickeln ihre eigene Dynamik und setzen Themen. Der überhaupt erste G-20-Gipfel auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs tagte kurz nach der Lehman-Pleite und brachte eine bessere Finanzmarktregulierung auf die Agenda. Man mag beklagen, dass zu wenig daraus wurde, aber ohne diesen Impuls wäre noch mehr unterblieben. Am Ende sind die G 20 eben keine Weltregierung, sondern die Welt wird von vielen regiert.

Für die Regierenden bieten Gipfel eine willkommene weltpolitische Bühne, erst recht wenn es zu Hause schlecht läuft. Angela Merkel, vor drei Jahren in Heiligendamm zur Klimakanzlerin gekürt, kennt und schätzt den Effekt. Wenn, wie jetzt, eine Umfrage Schwarz-Gelb die schlechtesten Werte seit zehn Jahren bescheinigt, kommt Merkel der außenpolitische Weichzeichner wie gerufen.

Trotzdem ist Toronto nicht nur Show. Wachstum versus Konsolidierung – das ist eine ernsthafte Debatte wert. Merkel hat sie vorbereitet, indem sie just in dieser Woche die Botschaft vom Aufschwung platzierte, nachdem sie unlängst noch Besorgnis verbreitete. Vor der „vollen Wucht der Auswirkung der Krise“, die uns 2010 erreichen werde, hatte sie gewarnt, sogar vor einer „Bewährungsprobe wie seit der deutschen Einheit nicht mehr“. Das hört sich jetzt allerdings ganz anders an, und das hat einen einfachen Grund: Nur wenn die Krise vorbei ist, kann man überzeugend argumentieren, dass die Konjunkturhilfen enden müssen. Genau das will Merkel in Toronto tun.

Die aktuellen Indikatoren geben ihr recht: stabile Preise, relativ wenige Arbeitslose, mehr Wachstum, gutes Klima bei Unternehmen und Verbrauchern. Noch besser geht es kaum. Es wäre für Deutschland absolut verfehlt, auf Pump weitere Milliardenwohltaten zu finanzieren. Dass der Staat mehr Einnahmen als erwartet verbucht, ändert nichts daran, auch wenn Geldausgeben mehr Spaß macht als Sparen. Schließlich schadet es auch nichts, das sprichwörtliche Pulver trocken zu halten; der Aufschwung scheint absehbar abzuflachen.

Und es gibt eben neben aller Aufschwungsrhetorik immer noch beträchtliche Risiken. Vor allem ist zu viel billiges Geld in der Welt. Der deutsche Bankensektor bleibt labil. Mehrere Euro-Länder haben ihre Schuldenkrise noch nicht gelöst. In China droht eine Spekulationsblase am Immobilienmarkt. Die Sparbemühungen in Japan, Großbritannien und anderen Staaten drücken schon bald auf den deutschen Export. Und so weiter und so fort. Angesichts solcher Risiken und eingedenk der gerade erst überwundenen Rekordrezession steht Deutschland sehr gut da – auch und besonders in Toronto.

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