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Doppelpass alleine? Wenn es nach der SPD geht, werden die Regeln zur doppelten Staatsangehörigkeit strenger.

© Rolf Vennenbernd/dpa

Doppelte Staatsbürgerschaft: In der dritten Generation ist Schluss

Die SPD nähert sich beim Doppelpass der Union an. Entscheidend ist der Lebensmittelpunkt der Betroffenen.

Die Diskussion über das Wahlverhalten hier lebender Türken wirkt sich auf Positionen der SPD in Fragen der inneren Sicherheit und der Loyalität von Zuwanderern gegenüber dem deutschen Staat aus. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz und der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius schlagen vor, in der dritten Zuwanderer-Generation eine Doppelstaatlichkeit als Regel nicht mehr zu akzeptieren.

Beim türkischen Referendum über massiv erweiterte Zuständigkeiten des Staatsoberhauptes hatte eine deutliche Mehrheit der hier lebenden türkischen Staatsangehörigen für Erdogans Machtausdehnung gestimmt. Dies weckte Zweifel an ihrer Einstellung zum demokratischen Rechtsstaat und führte zu der Vermutung, höherer Druck, sich für eine Staatsangehörigkeit zu entscheiden, könne mehr Verständnis für den Wert demokratischer Verhältnisse befördern.

Die Position, auf die die SPD jetzt einschwenkt, entspricht tendenziell der von CDU und CSU, die beide dem Doppelpass sehr distanziert gegenüberstehen. Das früher geltende Recht (Deutscher ist, wer ein deutsches Elternteil hat) war im Jahr 2000 von der rot-grünen Bundesregierung so geändert worden, dass ein in Deutschland geborenes Kind ausländischer Mitbürger die deutsche Staatsangehörigkeit dann erwirbt, wenn ein Elternteil seit mindestens acht Jahren hier lebt und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht hat.

Auch Deutschstämmige haben häufig zwei Pässe

Das Problematische an der deutschen Diskussion über den Doppelpass ist ihre Einengung auf hier lebende Türken. So wird verkannt, dass es auch bei Deutschstämmigen absolut keine Ausnahme ist, noch einen weiteren Pass zu haben. Deutsche Auswanderer nach Südafrika haben vor 1990 ihren alten Pass in der Regel wegen der unsicheren politischen Verhältnisse behalten. Das Gleiche gilt sowohl für ehemalige Nazis als auch Opfer der NS-Zeit, die in Südamerika eine neue Heimat suchten. Andererseits darf von Bürgern aus der Europäischen Union und der Schweiz eine solche Entweder- Oder-Entscheidung überhaupt nicht verlangt werden. So besitzen 690 000 deutsche Staatsangehörige zusätzlich einen polnischen Pass. 570 000 sind aber auch russische Staatsbürger. Hierbei handelt es sich vor allem um Menschen, die aufgrund ihrer deutschen Wurzeln nach dem Zerfall der Sowjetunion von dem Rechtsanspruch der Zuwanderung in die Bundesrepublik Gebrauch machten, ohne den alten Pass abzugeben.

Die Zahl der deutsch-türkischen Doppelstaatler liegt bei 530 000. Insgesamt leben in Deutschland 4,3 Millionen Menschen, die neben dem deutschen auch noch einen anderen Pass haben. Sichere Erkenntnisse, ob der Doppelpass tatsächlich negative Auswirkungen auf die Integrationsbereitschaft in die Mehrheitsgesellschaft hat, gibt es nicht. Die Verkürzung der Debatte auf Bürger mit türkischen Wurzeln ist vermutlich Ausfluss des Unbehagens über eine Zuwanderung aus einem anderen als dem christlichen Kulturraum. Sie ist in jedem Fall unredlich, weil das partielle Integrationsversagen der deutschen Seite damit beschwiegen wird. Und dieses Versagen gibt es gegenüber der ersten genauso wie gegenüber der zweiten und der dritten Zuwanderergeneration.

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