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Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao und Bundeskanzlerin Angela Merkel im Garten der Liebermann-Villa.

© dapd

Regierungskonsultationen: Doppelter Klimawandel in China

Könnte man frische Luft kaufen, Wen Jiabao würde das bei Regierungskonsultationen zwischen Deutschland und China sicherlich tun. Die Worte "grün", "umweltfreundlich" oder "ökologisch" sind auch in China in Mode gekommen

Als bei Wen Jiabaos letztem Besuch in Deutschland ein Korrespondent der Zeitung „China Daily“ im Hubschrauber von Berlin nach Merseburg mitfliegen durfte, war der Chinese beeindruckt. So sehr, dass er in seiner Zeitung von dieser Reise mit dem chinesischen Ministerpräsidenten berichten wollte. Nicht die fortschrittliche Technik des Hubschraubers hatte es ihm angetan, nicht die modernen Autobahnen oder die – im Vergleich zu seiner Heimat – zivilisierte Fahrweise der Verkehrsteilnehmer. Nein, „ich war entzückt von dem Grün, das sich vor meinem Fenster erstreckte“, schrieb Su Qiang, „ich konnte buchstäblich die frische Luft in meinem Helikopter atmen.“ In China hingegen atmet man meistens noch viele andere Partikel mit. Und als die chinesische Kollegin Lixin Jiang vor einiger Zeit einen Monat als Gastredakteurin beim Tagesspiegel verbrachte, schrieb sie einen Artikel über das grüne Berlin, das sie nachhaltig beeindruckt hat.

Könnte man frische Luft kaufen, Wen Jiabao würde das bei den am Dienstag beginnenden ersten Regierungskonsultationen zwischen Deutschland und China sicherlich tun. Stattdessen aber kann er sich in Deutschland jene Techniken besorgen, die die Luft sauberer machen oder helfen, sie erst gar nicht zu verschmutzen. Dass die Chinesen daran ein sehr großes Interesse haben, hat Wen Jiabao schon bei seiner vorherigen Station in Großbritannien deutlich gemacht. Gemeinsam wolle man grüne Wirtschaftsprojekte fördern, sagte der Ministerpräsident. Das müsste er mit einem Deutschland nach der Atomenergiewende besonders gut können.

Dass Chinas Regierung erstmals im Ausland mit 13 Ministern anreist, zeigt die Wertschätzung, die Deutschland genießt. Diese beruht vor allem auf wirtschaftlichen Beziehungen, im vergangenen Jahr stieg das Handelsvolumen zwischen beiden Ländern auf ein neues Rekordhoch von 130 Milliarden Euro. Bislang profitierten vor allem die deutschen Autobauer davon, bald könnten es auch die Zukunftstechnologien sein.

Die Worte „grün“, „umweltfreundlich“ oder „ökologisch“ sind auch in China in den letzten Jahren in Mode gekommen – auch wenn sie dort oft nur als Verkaufsargument dienen und nach deutschem Ermessen nicht wirklich umgesetzt werden. Doch auch im aktuellen Fünfjahresplan der Kommunistischen Partei Chinas steht nachhaltiges Wachstum ganz oben auf der Agenda. Die deutschen Wind- und Solarenergieunternehmen wissen das längst, der Wettbewerb mit Chinas Firmen ist in vollem Gange. Kein Land investiert mehr in erneuerbare Energien als China, im vergangenen Jahr waren es 54,4 Milliarden Dollar.

In Zusammenarbeit mit der Regierung Singapurs entsteht zurzeit in Tianjin ein Stadtteil für 350.000 Einwohner, der das Prädikat „Ökostadt“ womöglich tatsächlich verdient haben könnte. Täglich strömen dort chinesische Besuchergruppen durch die Ausstellungshalle, denn dieses Bauvorhaben könnte eine Lösung für die immensen Urbanisierungsprobleme Chinas bieten. Für deutsche Firmen eröffnen sich hier enorme Wachstumschancen.

Deutschland hat China etwas zu bieten, weshalb die deutsche Regierung die Konsultationen aus einer Position der Stärke heraus aufnehmen sollte. Damit muss sie aber auch das Thema Menschenrechte ansprechen und darf sich nicht mit den zwei Freilassungen zuletzt zufrieden geben – zumal die Haftzeit des Bürgerrechtlers Hu Jia ohnehin abgelaufen war. Und dass der sonst so sprachgewaltige Regimekritiker Ai Weiwei seit seiner Entlassung nichts mehr sagt, ist alleine schon skandalös. Es bestätigt nur, dass die innenpolitische Lage in China zurzeit so repressiv ist wie zuletzt 1989. Deutschland sollte zumindest versuchen, auch dieses Klima in China zu verbessern.

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