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Im Zwiegespräch mit der Linken-Fraktion im Bundestag: Wolf Biermann.

© dpa

"Drachentöter" Wolf Biermann im Bundestag: So viel Provokation sollte schon sein

Ein Liedermacher singt im Bundestag ein Lied - so hatte sich das Bundestagspräsident Norbert Lammert gedacht. Doch wenn der Mann Wolf Biermann heißt, geht das nicht so reibungslos über die Bühne. Das hätte Lammert wissen müssen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Matthias Schlegel

Es war eine gute Idee des Bundestagspräsidenten. Kaum eine andere Persönlichkeit steht wie Wolf Biermann mit seinem Namen so symbolhaft für all das, was die Mauer ausmachte: Trennung, Repression, Leid, Aufbegehren. Dass Norbert Lammert diesen 1976 aus der DDR ausgebürgerten Mann ins hohe Haus eingeladen hatte, um des Falls dieses monströsen Bauwerks zu gedenken, ist schon in Ordnung. Aber dann geriet der Freigeist Biermann mit dem Hausverwalter Lammert aneinander: Er sei nur zum Singen eingeladen worden, beschied Lammert dem Liedermacher. Aber einer wie Biermann ließ sich nie das Wort verbieten, und so hält er es bis heute.

Dass er der Linken manche Zumutung nicht ersparte ("die Reste der Drachenbrut") war so absehbar wie konsequent - für ihn, den Dissidenten, den Ausgebürgerten, den schärfsten Kritiker des SED-Staates. Und so wird dieser Auftritt Biermanns in die Geschichte des Bundestages eingehen: Nicht als ein Eklat, zu dem die Linke den Vorgang gern stilisieren würde, weil sie schon im Vorfeld nicht damit einverstanden war, dass sie nicht gefragt worden war, ob ihr dieser Gast genehm sei. Sondern als eine Sternstunde, zu wie viel Spontanität und Unangepasstheit dieses deutsche Parlament noch fähig ist. Man wünschte sich mehr davon, damit der Bundestag in seiner - gegenwärtigen - großkoalitionären Eintracht nicht in Langeweile und chronischer Unterbesetzung erstarrt. Doch das nur nebenbei.

Wichtiger ist die Frage, ob dieser Mann und diese Abrechnung und dieses Lied von der "Ermutigung" dem Tag und der Stunde, dem Anlass angemessen war. Betrachtet man den Fall Biermann als den einen von den vielen Rissen, die die Mauer in den letzten beiden Jahrzehnten ihrer Existenz bekam, ist das zweifellos zu bejahen. In der DDR hat die Ausbürgerung dieses kritischen Geistes einen Diskussionsprozess unter den Künstlern und Intellektuellen angestoßen, der Keile in die ganze DDR-Gesellschaft trieb. Doch am Mauerfall selbst, so hat Biermann auch in einem Interview kurz vor seinem Auftritt im Bundestag einmal mehr bedauert, war der in Hamburg ansässige Liedermacher nicht beteiligt. Die wurde von einer friedlichen Revolution niedergewalzt, für die andere Namen stehen. Und von denen hätte man gern mehr gehört und gesehen im Bundestag. An solch einem Tag des Gedenkens.

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