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Meinung: Drei Buchstaben auf dem Ratzefummel: S-P-D

Pascale Hugues, Le Point

Jede dritte Ehe endet mit einer Scheidung – diese Statistik war mir durchaus bekannt. Ich hätte bei der Wahl meiner Teetassen also mehr Vorsicht walten lassen können. Allmorgendlich beim Frühstück verspotten mich das engelsgleiche Lächeln von Charles und Diana, die in Liebe erstarrten Blicke von Andrew und Fergie. Glocken, Bänder, Blümchen, Kronen kreisen um die Häupter der hochgestellten Paare.

Anfang der 80er hatte ich diese lächerlichen Verybritish-Souvenirs in einem walisischen Trödelladen gekauft. Damals konnte ich mir nicht vorstellen, dass die Liebe ein leicht verderbliches Gefühl sein kann, das dem Stress der Poloturniere und Jagden des hochadligen Kalenders auch nicht mehr entgegenzusetzen hat als der bürgerlichen Tretmühle von Arbeit-Küche-Kinder-Schlafen. 20 Jahre später künden nur noch zwei angeschlagene Tassen in einer Berliner Küche vom einstigen königlichen Idyll.

Die Deutschen haben keine Herrscherfamilie mit strahlenden jungen Brautpaaren. Die skandalträchtige Aristokratie derer von Thurn und Taxis oder Hannover ist es nicht wert, auf dem Geschirr dieses Landes ohne Märchen verewigt zu werden. Folglich muss man mit dem gewöhnlichen Volk der Politiker vorlieb nehmen, glanzlosen Ikonen unserer Zeit. Derzeit sind die Berliner Straßen mit überfreundlichen Gesichtern, makellosen Dauerwellen und fröhlich-blumigen Krawatten tapeziert. Am vorigen Samstag, dem Einschulungstag, verteilten die bewährten Kämpen der Sozialdemokratie vor den Schulen Radiergummis mit den Initialen der Partei – royalistischer Kitsch in seiner republikanisch-minimalistischen Variante. Keine Blumen, keine Kronen … stattdessen SPD: drei rote große rote Buchstaben auf dem nüchternen weißen Gummi.

Was für ein Glück, dass der Parteifetischismus sich hier zu Lande auf Radiergummis, Luftballons, Jutetaschen und Wahlplakate beschränkt! Ich mag mir gar nicht ausmalen, welche Zwietracht am Frühstückstisch gesät würde, wenn die Stars der Politik Wert darauf legten, ihre Gesichter auf Porzellan malen zu lassen: Stoiber und seine Muschi, selbstzufriedenes Edelweiß-Lächeln und blaues Lacoste-Polohemd, Geranien und bayerische Alpen, und das alles auf unseren Cappuccino-Tassen, um uns jeden Morgen daran zu erinnern, dass wir Berliner frustrierte Schwachköpfe sind, zu dumm zum Wählen? Das Lächeln von Oskar und Gregor wiederum würde in den Oberaudorfer Familien Gallenkoliken auslösen! Einzig Angie im lachsrosa Kleid und ihr Mann im Frack, wie sie auf der Freitreppe von Bayreuth posieren, wären würdig, auf einem Rosenthal-Service die Zehlendorfer Bridgenachmittage zu zieren.

Niemals würde man in Deutschland eine edle Keksdose finden, wie sie meine andere Trophäe aus den Londoner Jahren darstellt. Winston Churchill mit Schwalbenschwanz und Fliege, vornehm geneigt der Oberkörper, herablassend der Blick, im vollen Bewusstsein der siegreichen Macht. Die neue deutsche Geschichte hat keine unanfechtbaren Helden hinterlassen. Und der Geschmack am Personenkult ist diesem Land schon lange verloren gegangen.

Vor ein paar Tagen habe ich den Espresso aus einer Tasse getrunken, auf der eine hinreißende Maria in ihrem himmelblauen Mantel betet. Zweifellos ein Sakrileg, aber in dieser Welt, in der Liebe und Politik gleichermaßen fragil sind, ein zeitloser und unvergänglicher Wert. Damit wir in Frieden frühstücken können, habe ich mich für neutrale Motive entschieden: Vergissmeinnicht, Primeln und Stiefmütterchen.

Aus dem Französischen von Elisabeth Thielicke.

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