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Guido Westerwelle, ein Parteichef auf Abruf?

© dpa

Dreikönigstreffen: Im Staatstheater der FDP

Sich selbst zitieren, seine Reden kompilieren - das ist Guido Westerwelle. Er kann dankbar sein, dass Generalsekretär Lindner ihm im Stuttgarter Staatstheater ein Schauspiel erspart hat. Eines, wie es Mitte der 90er die SPD in Mannheim veranstaltete, als sie ihren Parteichef stürzte.

Er kann nicht anders. Sich selbst zitieren, seine Reden kompilieren, alle seine Einsichten, die sich nicht ändern, wiederholen, um sie zu neuen Aussichten zu erklären – das war, das ist Guido Westerwelle. Immer und immer wieder, ob im Bundestag, im Bierzelt oder im Staatstheater.

Der Überbau: Da folgt einer nicht der Idee vom Liberalismus als dem „gleichschenkligen Dreieck“, das notwendig ist für eine nach dem erreichbaren Optimum strebende Gesellschaft. Eine Gesellschaft, in der sich Freiheit, Gleichheit und Wachstum im ausgeglichenen Verhältnis zueinander befinden; eine mit geistiger Freiheit wie auch persönlicher Freizügigkeit, mit sozialer Gerechtigkeit wie auch gesellschaftlichem Ausgleich, und mit wirtschaftlichem Wachstum bei hoher integrativer Effektivität. Der liberale Leistungs- und Wettbewerbsbegriff lässt sich nämlich rechtfertigen, wenn vielleicht nicht Gleichheit, aber doch eine zumindest starke Annäherung der Startchancen in der Gesellschaft bestehen. Und wenn man den Möglichkeiten sozialer Emanzipation reformatorisch offen begegnet. Nein, das denkt Westerwelle so nicht. Aber er buchstabiert Liberalismus auch nicht, ersatzweise, neu angesichts neuer Herausforderungen. Programmatische Leere wird durch ihn nicht gefüllt. Neuland beschreitet er nicht.

Das Gestern: Westerwelle wirbt, wenn man das so sagen kann, mit abgeleiteter historischer Bedeutung. Die FDP war dabei, als die soziale Marktwirtschaft gemacht wurde, als die Ostpolitik gemacht wurde, als die Einheit gemacht wurde – und eigentlich hat sie alles erst möglich gemacht. Wer das nun ein wenig relativiert, der wird zum Illiberalen erklärt. Historisch ironisch ist, dass ausgerechnet Westerwelle, Jahrgang ’61, der sich vor anderthalb Jahrzehnten am Monolithen Helmut Kohl abarbeitete, jetzt wie der wird, politphänomenologisch. Für Kohl waren die Menschen in erster Linie Wähler, und Wahlkampf ist immer. Die, mit denen er sich auseinandersetzen musste, sind unterteilt in die drei Kategorien Freund, Feind, uninteressante Personen. Selbstkritik? Wo kommen wir denn da hin! Vielleicht denkt man so, wenn man zu lange Parteivorsitzender war.

Das Heute: Ist geprägt von dem, was Westerwelle unter Erfolg verbucht, und das ist so ziemlich alles, was sich gegenwärtig in der Politik an Positivem tut. Dass Politik Steuerungsprozesse benötigt, ja, dass Politik immer ein Prozess ist und positive Entwicklungen immer einen längeren Vorlauf haben als meist diejenigen, die gerade regieren und den Erfolg für sich reklamieren – das ist eine Form von Differenzierung, die einer nicht zu leisten vermag, bei dem sofort der Wahlkampfmodus abzurufen ist.

Die Aggressivität: Sie ist das, was Westerwelle kennzeichnet. Er kann nicht anders, er kämpft immer, und sei es gegen sich selbst. Er muss auch in Reden zuweilen die in ihm lodernde Wut über die ungerechten Urteile zu seiner Führung niederkämpfen. So wie am Donnerstag. Das Befremden in seiner Partei nimmt allerdings zu. Auch am Donnerstag.

Der Ausblick: Vorsitzender zu sein und zu bleiben – darum ging es für Guido Westerwelle. Er wird es bleiben, bis nach der Landtagswahl in Baden-Württemberg sicher. Zumindest bis kurz danach. Der Beifall war programmiert, er war entsprechend. Was danach passiert? Er ist jung genug, den Versuch zu unternehmen, ein guter Außenminister zu sein. Selbst Gustav Stresemann musste erst den Parteipolitiker in sich überwinden. Und über das Nationalliberale hinauskommen.

Dank ihres Generalsekretärs aber erinnert sich die FDP des Begriffs Liberalismus. Westerwelle kann dankbar sein, dass Christian Lindner eine Rede unter seinem möglichen Niveau gehalten hat. Wer aber Ralf Dahrendorf freihändig zitieren kann, der wird auch dessen Wort von der entscheidenden Bedeutung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen Initiative, Exekutive und Kontrolle kennen. Lindner hat sich kontrolliert und der FDP im Stuttgarter Staatstheater ein Schauspiel erspart. Eines, wie es Mitte der 90er die SPD in Mannheim veranstaltete, als sie ihren Parteichef stürzte.

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