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DSDS: Deutschlands Migrantenstadl

Das Casting-Fernsehen ist das wahre Modell Deutschland. Jede „DSDS“-Staffel ist ein authentischer "Migrantenstadl", während beim "Musikantenstadl" nur der weiße Mann mit blondierter Begleitung durch die Kulisse marschieren darf.

Sie heißen Heidi Klum, Dieter Bohlen und Stefan Raab. Sie haben Millionen Fans, sie haben Millionen Feinde. Sie spalten das Land. Dabei machen sie nur Fernsehen, Casting-Fernsehen. Sie suchen aus Hunderttausenden das eine Topmodel, den einen Superstar, Deutschlands schrägste Nachbarin. In den Sendungen wird geurteilt, gesiebt, gemobbt. Bewahrpädagogen, und das sind nicht wenige, brandmarken den fiesen, den sozialdarwinistischen Charakter dieser Shows. Wieso hat noch keiner nach einem Verbot gerufen?

„DSDS“, „GNT“ etc. sind Ausgeburten des privaten Fernsehens. ARD & Co. lehnen diese Shows als „menschenverachtend“ ab. Jugendliche, vor allem Jugendliche mit Problemen nehmen sie als Mittel zur Draufschau-Dokumentation wahr. Anders RTL und Pro 7: Partizipation heißt die Losung, Mitmach-Fernsehen, wer glaubt, er kann was, der darf sich bewerben – und scheitern. Jeder hat eine/keine Chance.

Dieses Casting-Fernsehen ist das wahre Modell Deutschland. Jede „DSDS“-Staffel ist ein authentischer „Migrantenstadl“, während beim „Musikantenstadl“ nur der weiße Mann mit blondierter Begleitung durch die Kulisse marschieren darf. Ein 50er-Jahre-Verständnis von Fernsehgesellschaft.

Und Dieter Bohlen? Ein Pubertätsgreis mit Permabräune, der schlimme Sachen sagt, die junge Menschen zum Weinen bringen. Einer, der liebt und hasst. Der brutal ausspricht, wer sich gnadenlos überhebt. Der vor Freude aus dem Sessel springt, wenn er echtes Talent erkennt. Wie Domina Klum, die die Hübschesten der Hübschen mit eiskalten Worten vor die Studiotüre schickt, ohne Ansehen der Herkunft, der Hautfarbe, der High Heels. Diese Ellenbogen-Moderatoren haben eine klare Haltung: Leistung! Sie fordern und fördern den Willen zum Aufstieg, zum Durchbeißen, zum Wegbeißen. Die Teilnehmer begreifen in der Show, wozu sie in der Lage sind, ihre Entwicklung von Stufe zu Stufe ist beachtlich. Absturz immer möglich, Selbstbetrug dito.

Ja, die Bohlens, Klums und Raabs beuten auch aus, ja, wer mit ihnen gewinnen will, der muss sich ausbeuten lassen. Elvis Presley, der größte Rock ’n’ Roller aller Zeiten, hat sich von seinem Manager, Colonel Tom Parker, ausbeuten lassen. Frank Sinatra, „The Voice“, ging als Sieger aus dem Radio-Wettbewerb „Major Bowes Amateur Hour“ hervor.

„Deutschland sucht den Superstar“ oder „Germany’s Next Topmodel“ imitieren das Modell der Marktwirtschaft; sozial daran ist, dass es nur Fernsehen ist. Von den deutschen Privatsendern und den Musikfirmen zu fordern, dass sie sich anders verhalten sollen als die übrigen Wirtschaftszweige, ist nachgerade naiv. Und dann der Irrtum, dass Unterhaltung für die, die andere unterhalten, Vergnügen ist. Das ist eisenharte Arbeit, die gelernt sein will und muss.

Neben der Wer-schützt-unsere-Jugend-Frage wird gerne auch die Niveau-Frage traktiert. Dieses „Topmodel“ kann nicht gerade laufen, jener „Superstar“ nicht sauber singen. Aber sie versuchen es, sie glauben an den Traum, den ein Elvis Presley aus East Tupelo/Mississippi geträumt hat. Manchmal kommt nur Bohlen raus – der aber ist Deutschland.

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