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Dürfen die das? Heinz Buschkowsky, Helmut Kohl und Philipp Lahm stoßen Debatten an - oder auch nicht?

© dapd (2), Reuters

Buschkowsky, Kohl und Lahm: Dürfen die das?

Schadet Kohl Merkel? Kann Lahm noch Kapitän der Nationalmannschaft bleiben? Und darf ein Bezirksbürgermeister die Justiz kritisieren? Stil- und Taktikfragen bestimmen die Debatte. Dabei sollte etwas ganz anderes im Vordergrund stehen.

Von Markus Hesselmann

Dürfen die das? So verschiedene Menschen wie Helmut Kohl, Philipp Lahm und Heinz Buschkowsky haben sich in der zurückliegenden Woche mit Wortmeldungen unbeliebt gemacht. Bei allen Unterschieden in gesellschaftlicher Wirkungsmacht verbindet den Altkanzler, den Kapitän der Nationalmannschaft und den Neuköllner Bürgermeister, dass ihre eigene Stellung, die Stellung derer, die sie kritisieren, sowie mit beidem verbundene Stil- und Taktikfragen oft wichtiger genommen werden als die Inhalte ihrer Kritik.

Schadet Kohl seiner Nachfolgerin mit dem Vorwurf fehlender Verlässlichkeit bei der Europapolitik? Ist er beleidigt wegen des eigenen Bedeutungsverlusts? Hat er Angst um sein politisches Erbe? Ist es überhaupt opportun für einen Altkanzler, eine aktuelle Amtsinhaberin zu attackieren? Das waren typische Fragen, die von der inhaltlichen Auseinandersetzung mit Kohls Thesen wegführten. Womöglich ist unsere öffentliche Debatte längst zu stark von solchen Fragen statt von Thesen geprägt.

Der Fall Buschkowsky zeigt das noch deutlicher. Neuköllns Bürgermeister hatte sich – in zugegeben wenig feinem Ton – über einen Amtsrichter erregt, der ein Verfahren gegen einen Wirt wegen Alkoholausschanks an Jugendliche eingestellt hatte. Nun geschah, was geschehen musste: Der Chef des Berliner Richterbundes bemühte umgehend das Totschlagargument von der „Richterschelte“. Berlins Justizsenatorin Gisela von der Aue sah gleich die gesamte „Dritte Gewalt“ beleidigt. Buschkowskys Kritik sei ein „unerhörter Angriff auf die Unabhängigkeit der Gerichte“. Diese Abwehrbewegung wird dann meist hingenommen. Sie gilt als Volksgut. Ende der Debatte. Dabei wäre die Unabhängigkeit der Justiz doch eigentlich dann gefährdet, wenn ein Bürgermeister oder sonstiger Amtsträger hinten herum seine Stellung nutzen würde, um Richter oder Ermittler zu gängeln. Er tut das Gegenteil, wenn er öffentlich Stellung bezieht.

Was hat Philipp Lahm damit zu tun? Erfahren Sie mehr auf der nächsten Seite.

Nun ist Fußball trotz widersprüchlicher Indizien am Ende nicht so wichtig wie Politik und Justiz. Doch wenn es um Diskussionskultur geht, passt auch der Fall Philipp Lahm hier hin. Als höchst unsportlich wurde die Kritik des Kapitäns der Nationalelf an seinen früheren Trainern und deren Methoden weiträumig eingeschätzt – und damit abgetan. Eine inhaltliche Auseinandersetzung blieb größtenteils aus. Einer der Kritisierten, Ex-Bundestrainer Rudi Völler, sonst selbst ein Freund fernsehöffentlichen Räsonierens, sprach Lahm kurzerhand den „Charakter“ ab. Dabei könnte sich Charakter doch durchaus auch in dem Mut zeigen, einen Missstand öffentlich anzuprangern. Auch und gerade der Profifußball mit seiner großen Bedeutung für Massen von Menschen steht nicht außerhalb der offenen Gesellschaft. Auch hier muss Debatte im Jahr 2011 erlaubt sein.

Und „Debatte“ ist hier das wichtigste Stichwort. Auch weil öffentliche Wortmeldungen sofort an Ämter und Funktionen gekoppelt werden, gelten sie oft nicht als ein Beitrag unter anderen zu einer Debatte. Sie werden eher so aufgenommen, als wolle da jemand eine letztgültige Wahrheit verkünden. Als würden Tafeln vom Berg herabgereicht, die man dann entweder akzeptiert oder zerbricht.

Statt dauernd nur darüber nachzudenken, wer was darf und wer wohl was womit bewirken will, sollten wir uns mit Lust in die Debatte stürzen und uns über jeden Diskussionsanstoß freuen – auch von Altkanzlern, Fußballkapitänen und Bezirksbürgermeistern.

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