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Bundeswehrreform: Das Tempo überfordert die Gesellschaft

Die Reform der Bundeswehr war überfällig. Das Schwierige, der Anstoß zur Reform, hat sich als das Leichte erwiesen. Die eigentliche Herausforderung steht noch bevor.

Von Michael Schmidt

Wir befinden uns im Jahr 20 nach der Wiedervereinigung. Ganz Deutschland ist von Politbeamten, Besitzstandswahrern und Reformblockierern besetzt. Ganz Deutschland? Nein! Ein unbeugsamer Freiherr gefällt sich in der Rolle des furchtlos zupackenden Machers, der nicht aufhört, Widerstand zu leisten. Dabei erweisen sich die Gegenkräfte als überraschend kraft- und saftlos. So hat es nur ein gutes halbes Jahr gedauert vom ersten lauten Nachdenken des Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg über die Aussetzung der Wehrpflicht bis zu ihrem beschlossenen und mehrheitlich begrüßten Ende. Friede ihrer Asche.

Zurück bleibt dreierlei: Der Eindruck, wenn sie nur will, kann die Politik das Land sehr wohl verändern. Das Bild eines Ministers, der nach Höherem strebt. Und die Frage, ob das alles nicht vielleicht doch viel zu schnell geht. Weil es die Institutionen überfordert, die Betroffenen nicht mitnimmt und die Gesellschaft letztlich unvorbereitet trifft, die hat nämlich weder Zeit noch Gelegenheit, sich auf das Neue einzustellen. Die Idee zu haben und über das Ob zu entscheiden, ist das eine; die Umsetzung zu organisieren und das Wie auszuarbeiten das andere. Man wird den Verdacht nicht los, dass der 39-jährige Guttenberg, Sprössling eines uralten Adelsgeschlechts, mit seinem reformerischen Sauseschritt arg schnellfüßig über Einwände, Sorgen und die Frage nach den konkreten Folgen hinweggeht.

Die Bundeswehr soll kleiner werden und einsatzorientierter, sparsamer und effizienter. Doch die Erfahrung zeigt: Jede Reform kostet erstmal Geld. Effizienzsteigerungen sind nicht gratis zu haben. Wo aber gestrichen, welche Fähigkeiten abgeschafft, welche Standorte geschlossen werden, ist nach wie vor unklar. Und die vom Scheitern bedrohte Mission in Afghanistan gibt nicht gerade eine gute Blaupause für die Neuausrichtung der Streitkräfte ab. „No risk no fun“? Der Versuch der Kanzlerin, den „Spaß an der Veränderung“ zu beschwören, kann angesichts von 44 getöteten Bundeswehrsoldaten am Hindukusch nur als zynisch gelten.

Die Wehrpflicht soll abgeschafft werden. Doch was wird mit den Schülern des doppelten Abschlussjahrgangs im Sommer 2011 (wenn die letzten 13-Jahre-Abiturienten und die ersten Zwölf-Jahre-Abiturienten fertig werden): Halten Staat und Wirtschaft ausreichend Ausbildungs-, Arbeits- und Studienplätze bereit? Wer hilft den Trägern von Zivildienststellen, wenn die bisher 90 000 Ersatzdienst Leistenden ausbleiben? Und wie gehen wir mit Soldaten um, wenn diese nicht mehr unser aller Söhne und Töchter, Brüder und Schwestern sind, sondern Berufssoldat, die ihren Dienst nicht in erster Linie als Dienst am Vaterland verstehen, sondern als Job begreifen? Schon jetzt werden Rückkehrer aus Afghanistan zuweilen scheel angeguckt und beschimpft.

Das Schwierige, der Anstoß zur Reform, hat sich als das Leichte erwiesen. Die eigentliche Herausforderung steht noch bevor. Nicht ausgeschlossen, dass dem fröhlichen und rauflustigen Minister doch noch der Himmel auf den Kopf fällt.

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