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Editorial: Nicht ohne das Parlament

Wie viel parlamentarische Kontrolle verträgt die Euro-Rettung? Italiens Premier Monti möchte nicht, dass Abgeordnete den Euro zerreden – aber überzeugen muss er sie doch.

Es sind seltsame Worte aus dem Munde eines Mannes, der es eigentlich besser wissen müsste. Italiens Premier Mario Monti, der den Beinamen „Il Professore“ seinem ökonomischen Sachverstand verdankt und früher auch schon einmal als Binnenmarkt- und Wettbewerbskommissar für die Brüsseler Behörde tätig war, scheint nicht allzu viel von Europas Parlamentariern zu halten. Jedenfalls ist er dagegen, dass die Volksvertreter bei der Euro-Rettung bis ins kleinste Detail hinein das Sagen haben. Seine These lautet zugespitzt so: Angela Merkel, François Hollande, Mario Monti und Co. brauchen auf den EU-Gipfeln ihren eigenen Verhandlungsspielraum. Wenn ihnen die – zunehmend Euro-kritischeren – nationalen Parlamente alles vorschreiben, dann zerfällt der Euro.

Insgeheim mag auch die Kanzlerin so denken. Aber sie würde es derzeit wohl kaum wagen, den Einfluss der Parlamentarier, zumal im eigenen Land, kleinzureden. Hat nicht gerade das Verfassungsgericht die Bundestagsabgeordneten wiederholt aufgefordert, sich stärker in Europafragen einzumischen? Hinter diese Rechtsprechung kann in Deutschland keiner mehr zurück. Sie bindet zwar das Regierungshandeln auf EU-Ebene nicht komplett, legt ihm aber doch einige Fesseln an. Das Mitbestimmungsrecht des Bundestages bei der Vergabe neuer Milliarden aus dem gegenwärtigen Rettungsschirm EFSF und seinem Nachfolger ESM sind das beste Beispiel für den gewachsenen Einfluss der deutschen Parlamentarier.

Vor diesem Hintergrund wirkt Montis Abgeordneten-Schelte seltsam aus der Zeit gefallen. Gewiss, Italiens Regierungschef hat angesichts der drastischen Sparmaßnahmen mehr Mühe als Merkel, seinen parlamentarischen Laden zusammenzuhalten. Aber es wäre fatal, wenn er den Eindruck erwecken würde, dass Technokraten besser wüssten als Volksvertreter, wie der Euro bewahrt werden kann. Kein noch so hektischer Ausschlag der Anleihezinsen kann etwas an einer grundlegenden demokratischen Spielregel ändern: Regieren heißt auch, die politischen Gegner zu überzeugen.

Das ist häufig ein mühsames Geschäft – man denke nur an den Wahlerfolg der euroskeptischen „Wahren Finnen“ im vergangenen Jahr, die Auseinandersetzung des spanischen Regierungschefs Mariano Rajoy mit seinen Regionalfürsten oder an die Angst vor einer vermeintlichen Übermacht der EU, die bis heute in Teilen der sozialistischen Regierungspartei in Frankreich grassiert. Und trotzdem: Das Überzeugungs-Geschäft kann Merkel, Hollande, Monti und Co. keiner abnehmen.

Wie man andererseits die Debatte über die parlamentarische Kontrolle in der Euro-Krise auch vernebeln kann, hat gerade Unions-Fraktionschef Volker Kauder vorgeführt. Seine Überlegung, parallel zum Europaparlament eine Volksvertretung der Euro-Zone zu installieren, kommt viel zu früh. Erst einmal muss doch geklärt werden, ob weitere Haushalts-Kontrollrechte überhaupt auf die EU-Ebene verlagert werden. Auch in Deutschland muss diese Debatte geführt werden – erst einmal im Bundestag.

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