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Eine elektronenmikroskopische Aufnahme von EHEC-Bakterien, einer gefährlichen Variante des harmlosen Darmbewohners Escherichia coli.

© dpa

Durchfallerreger: EHEC – Zurück auf Los

Hilflose Behörden, widersprüchliche Warnungen: Wenn man den Selbstdarstellungen der Gesundheitsbehörden folgt, müsste der EHEC-Ausbruch eine Erfolgsgeschichte der Seuchenbekämpfung sein. Das Gegenteil ist der Fall.

Nach der Einlieferung der ersten EHEC-Patienten am vorvergangenen Mittwoch alarmierte die Uniklinik Hamburg-Eppendorf umgehend das Robert-Koch-Institut (RKI). Bereits eine Woche später hatte das RKI die wahrscheinliche Infektionsquelle identifiziert und warnte die Bevölkerung vor Tomaten, Gurken und Salaten. Schließlich verkündete die Hamburger Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks am vergangenen Donnerstag den angeblichen Durchbruch: Der Killerkeim wurde auf spanischen Gurken gefunden. Obendrein gibt es, seit gestern, einen Schnelltest für den verantwortlichen EHEC-Typ namens HUSEC-41 (O104:H4).

Wo ist also das Problem? Warum sind die Konsumenten verunsichert, die Gemüsehändler sauer und die Spanier empört?

Das liegt zunächst einmal an den Hinweisen der Behörden, die von Anfang an schwer nachvollziehbar und widersprüchlich waren. Das RKI warnte vor dem Verzehr roher Tomaten, Salatgurken und Blattsalate, und zwar „insbesondere in Norddeutschland“. Da es zu diesem Zeitpunkt bereits Fälle in Hessen gab, war dies selbst für Fachleute kaum verständlich. Im Norden gab es viele Erkrankungen ohne erkennbaren Zusammenhang, im Süden traten dagegen weniger Fälle auf, die häufiger auf eine gemeinsame Infektionsquelle zurückzuführen waren.

Dies deutet auf ein Lebensmittel als EHEC-Quelle hin, das im Norden produziert oder verteilt und über zentrale Verkehrswege (etwa als Fertigsalat) nach Süden geliefert wird. Der Generalverdacht gegen Gemüse von weitab liegenden Feldern, etwa aus Bayern oder Baden-Württemberg, ist deshalb unbegründet. Ebenso unverdächtig sind ausschließlich regional vertriebene Produkte, etwa von Kleinbauern oder kleinen Biobetrieben, weil von dort keine bundesweite Ausbreitung des Keimes möglich wäre. Entsprechende Ware kann also, sofern man dem Gemüsehändler vertrauen kann, bedenkenlos auch roh gegessen werden.

Am Problem vorbei geht auch das Ceterum censeo der Gesundheitswächter vom häufigen Händewaschen. Der Einsatz von Wasser und Seife ist sinnvoll und wichtig, wenn im Haushalt eine Person mit Durchfall erkrankt ist, weil die meisten Durchfallerreger (nicht nur EHEC) hoch infektiös sind. Dass sich viele Deutsche selbst nach dem großen Geschäft nicht die Hände waschen, ist natürlich schlimm, vielleicht sogar ekelig – doch mit dem aktuellen EHEC-Ausbruch hat das nichts zu tun. Auch das Händewaschen nach der Verarbeitung von rohem Fleisch in der Küche, das vom Bundesamt für Risikobewertung (BfR) empfohlen wird, kann nur eine Keimverschleppung in der Küche verhindern. Wenn der Erreger bereits im gekauften Gemüse steckt, ist Händewaschen vor dem Verzehr vollkommen sinnlos.

Die größte Peinlichkeit unterlief schließlich der Hamburger Gesundheitssenatorin, als sie großspurig drei spanische Salatgurken als angebliche Quelle des Seuchengeschehens präsentierte, weil darauf EHEC-Bakterien nachgewiesen wurden. Zeitgleich erklärte das Hamburger Hygieneinstitut, der Labornachweis habe nur 36 Stunden gedauert – so schnell konnte jedoch der genaue Typ des EHEC-Bakteriums gar nicht ermittelt werden (der molekularbiologische Schnelltest steht erst seit gestern zur Verfügung).

EHEC sind die zweithäufigste Ursache von Durchfallerkrankungen in Deutschland, etwa die Hälfte der Rinder tragen die Keime im Darm. Der Nachweis eines beliebigen EHEC-Bakteriums bedeutet deshalb nichts für die Suche nach der Ursache des aktuellen Ausbruches, für den der ungewöhnliche Typ HUSEC-41 (O104:H4) verantwortlich ist. Doch auf Anfragen, ob der EHEC-Typ auf den spanischen Gurken mit dem Ausbruchstyp übereinstimmt, hielt sich die Hamburger Behörde bedeckt – bis am Dienstagmittag die Bombe platzte: Die Behörde hatte einen Allerwelts-EHEC gefunden, der mit dem Ausbruch nichts zu tun hat.

Bei der Bekämpfung eines der schwersten Ausbrüche gilt jetzt: Alles zurück auf Los. Man darf gespannt sein, ob die Gesundheitsbehörden auch diesen Reinfall wieder als Erfolg verkaufen werden.

Der Autor ist Mikrobiologe und Direktor des Instituts für Biologische Sicherheitsforschung in Halle.

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