zum Hauptinhalt

Meinung: Ein bisschen Friedensbewegung Bei den Ostermärschen treffen sich die Unverwüstlichen

Außerparlamentarische Bewegungen dürfen träumen, denn die Niederungen der Realpolitik fallen nicht in ihre Zuständigkeit. Sie zielen – was für gewählte politische Mandatsträger seit geraumer Zeit anrüchig geworden ist – auf einen utopischen Punkt, den von einer besseren Welt.

Außerparlamentarische Bewegungen dürfen träumen, denn die Niederungen der Realpolitik fallen nicht in ihre Zuständigkeit. Sie zielen – was für gewählte politische Mandatsträger seit geraumer Zeit anrüchig geworden ist – auf einen utopischen Punkt, den von einer besseren Welt. Demonstranten gehen gern voran und in ihren Überzeugungen steckt unvermeidlich auch Anmaßung. Die Ostermarschbewegung hat das in einem ihrer frühen Lieder schlicht und einfach ausgedrückt: Unser Marsch ist eine gute Sache, weil er für eine gute Sache ist. Gegen die Logik des Krieges wolle man die Logik des Friedens setzen, hieß es in diesem Jahr aus dem Frankfurter Veranstaltungsbüro der Ostermärsche. Doch wo nicht - wie in Brandenburg - ein lokaler Anlass die Leute auf die Straßen gebracht hat, blieb der Zulauf begrenzt und erst recht die politische Ausstrahlung. Nach der großen Berliner Kundgebung vor dem Irakkrieg und den spontanen Schüler-Demonstrationen in den ersten Kriegstagen sieht es so aus, als sei noch nie eine Bewegung so rasch gewachsen – und noch schneller in sich zusammengesunken.

Der Abschluss des Berliner Ostermarsches offenbart das ganze Dilemma: Keine Reden, nur Musik. Denn die, sagen die Veranstalter, könne besser als Worte ausdrücken, was doch schon tausendmal gesagt worden sei. Im Februar haben die Organisatoren noch eine Kundgebung geboten, die wie eine Wieder-Aufführung einschlägiger Veranstaltungen aus den frühen 80er Jahre aussah. Eine politisch auf den Irak-Krieg gemünzte Botschaft gab es nicht. Da wirkt die neue Wortlosigkeit zu Ostern wie die endgültige Kapitulation. Denn es gehört geradezu zum Selbstverständnis der Friedensbewegten, das tausendmal Gesagte noch einmal zu sagen. Aber der Verzicht auf Reden ist auch ehrlich. Ehrlicher jedenfalls als die Versuche, der Anti- Irak-Kriegs-Bewegung mit Rednern wie Oskar Lafontaine eine Art der Politisierung aufzudrücken, die mit dem impulsiven Protest der ersten Wochen wenig zu tun hat.

Was sich in diesen spontanen Demonstrationen wirklich gezeigt hat, bleibt trotz schwindender Zahlen eine interessante Frage. Wer von der Friedensbewegung erwartet hat, sie könne die politische Richtschnur für Fragen liefern, über die sich mächtige Staaten und Bündnisse zerstritten haben, kritisiert höchstens die Älteren in diesen Bewegungen zu Recht. Die müssten wissen, dass es keine Logik des Friedens gibt, mit der man immer auf der richtigen Seite ist – und schon gar nicht, wenn sich ein Krieg gegen einen Tyrannen richtet.

Die Tradition der Friedensbewegung in Deutschland beginnt mit der Wiederbewaffnung. Sie hatte einen Aufschwung gegen den Vietnam-Krieg und war allgegenwärtig, als es Anfang der 80er Jahre um die Nachrüstung ging. Sie hat Recht gehabt und geirrt. Selbst im Fall von Vietnam sind manchem Aktivisten von damals einzelne Parolen nicht ganz geheuer – weshalb die schärfsten Kritiker des Anti-Amerikanismus von heute aus den früheren Bewegungen kommen.

Die Anti-Irak-Kriegs-Bewegung war keine Auferstehung der 80er Jahre. Sie war so jung wie die Mehrzahl der Demonstranten – und so neu wie die internationale Konstellation um die Irak-Krise. Ihr anti-amerikanischer Impuls ist altvertraut und besonders denen verdächtig, die ihre eigene Geschichte mit den USA durchlebt haben. Er scheint ohne Belang, sobald der Adressat seine Eindeutigkeit verliert. Denn nach dem Fall von Bagdad ist die Friedensbewegung auf die Unverwüstlichen zusammengeschrumpft. Es bleibt als Erkenntnis, dass junge Leute sehr empfindlich registrieren, wie die verbliebene Supermacht ihre Stärke einsetzt.

Zur Startseite