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Meinung: Ein bisschen Klein soll sein

Die Föderalismusreform schafft etwas mehr Klarheit – der Bund muss nicht alles lenken

Wenn sich Reformprojekte dem Ende nähern, beginnt das politische Tschingderassabumm. Die Kritiker versammeln sich zum Klagechor, unterstützt von Pauken und Trompeten. Die Befürworter singen das Lob des eigenen Tuns und unterlegen es mit Streicher- und Harfenklang. Bei der Föderalismusreform, die an diesem Freitag in Bundestag und Bundesrat erstmals beraten wird, ist es auch so. Der Refrain der Kritiker: Deutschland fällt in Kleinstaaterei zurück. Das Eigenlob der Gegenseite: Es ist die Mutter aller Reformen. Doch das eine Argument ist eine grobe, unsachliche Übertreibung, das zweite eine unangemessene Überspitzung.

Angesichts der etwas schrill gewordenen Debatte sei noch einmal daran erinnert, was mit der Föderalismusreform erreicht werden sollte: eine deutlichere Zuordnung von politischer Verantwortlichkeit zwischen Bund und Ländern, mehr Klarheit und Übersichtlichkeit. Es hätte, angesichts des Marschs in den Zentralstaat seit den 60er Jahren, der erst den Bundesrat zum großen Mit- und Gegenspieler des Bundestags gemacht hat, eine stärkere Rückverlagerung von Gesetzgebung auf die Landtage bedeutet. Der verstorbene Präsident Rau hat einst dazu aufgerufen. Aber so kam es nicht. Die Verantwortlichen? Die Regierung Schröder, SPD und Grüne im Bundestag, einige Ministerpräsidenten im Norden und Osten, die den Mut verloren, und jede Menge Interessenverbände, die dem Zentralismus huldigen.

Doch was hat es nun mit dem Lied der Kritiker auf sich: Kleinstaaterei? Der Vorwurf gilt vor allem dem bildungspolitischen Teil der Reform. Doch er ist dürftig und polemisch. Nach der bestehenden Verfassungsordnung ist Bildung Sache der Länder. Das sieht auch das Verfassungsgericht so. Was mit der Reform kommt, ist eine Klarstellung des Bestehenden. Das hilft den Bürgern, die Verantwortlichen zu benennen. Die Länder könnten es aber nicht, lautet der weitere Vorwurf. Beweis: die Pisa-Studie. Nur beweist die das nicht. Denn nach dem Ergebnis dieses internationalen Schülervergleichs liegen einige Bundesländer über dem Schnitt, einige sind durchschnittlich, einige haben Probleme. Diese Unterschiede zeigten das Versagen des Föderalismus, heißt es dann. Als ob Föderalismus Einheit und Gleichheit erzeugen soll (eine Sehnsucht der Deutschen, laut Tucholsky ein Gruppenvolk: „Bewegen in Kolonnen, da sind sie ganz“). Und als ob Zentralismus per se beste Resultate lieferte. Die Richter in Karlsruhe haben geurteilt, eine föderale Ordnung bringe regionale Unterschiede. Sinn dieser Ordnung sei, den Ländern eigene Gestaltungsräume zu schaffen. Wenn nicht bei der Bildung, wo dann?

Dem Kind in Neukölln bringe es nichts, wenn Münchner Schulen besser seien, heißt es. Warum nicht? Die Eltern des Kindes könnten fragen, warum das so ist? Und was die Politik in Berlin zu tun gedenke, das zu ändern? Das ist der Vorteil des Föderalismus: Er macht Vergleich möglich. Und Vergleich schafft Veränderung. Beim Pisa- Test schnitten übrigens die klassischen Regionen der deutschen Kleinstaaterei gut ab: Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen, Thüringen. Es muss ein Zufall sein.

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