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Meinung: Ein General gegen die Bürokratie

Wie Deutschland dem künftigen UN-Chef Ban helfen kann

Chefdiplomat, Verkünder und Verteidiger der Werte der UN-Charta sowie Topmanager einer sorgengeplagten Verwaltung: es sind gleich drei Jobs, die Ban Ki Moon als neuer UN-Generalsekretär übernimmt. Wie gut er diese Rollen zu kombinieren vermag, wird wesentlich den Erfolg seiner Amtszeit bestimmen. Der Koreaner täte gut daran, aus den Erfahrungen seines Vorgängers zu lernen: Kofi Annan hat einen hohen Preis dafür gezahlt, dass er die Führung und Reform der krisengeschüttelten UN-Bürokratie über weite Teile seiner Amtszeit vernachlässigte.

Ban will den Umbau der Bürokratie in den Mittelpunkt seiner Arbeit stellen. Er versprach, „die Organisationskultur zu reformieren, die Verantwortlichkeit zu erhöhen und Ethikstandards zu verschärfen“. Die Mitgliedstaaten forderte er auf, dem UN-Sekretariat mehr Flexibilität im Tausch für bessere Erfolgskontrolle zuzugestehen. Die Abwehrfront vieler der 132 in der so genannten „Gruppe der 77“ (G 77) organisierten Staaten hat sich bereits formiert. Diese Staaten fürchten um Pfründe, Prestige und Einfluss und stellen sich gegen eine grundlegende Reform des Sekretariats, etwa eine flexiblere Budgetpolitik.

Der neue Mann ist auf Deutschlands Unterstützung bei seinen Reformbemühungen angewiesen. Deutschland sollte seine guten Kontakte zu vielen G-77-Staaten nutzen, um deren Abwehrfront zu durchbrechen. Gleichzeitig sollte Deutschland im europäischen Verbund aktiv zur Stärkung der UN- Verwaltung beitragen. Das entspricht auch den Lehren aus der deutschen UN-Politik in der Ära Annan. Nicht das zwischenzeitlich leicht zwanghafte Rütteln am Tor des Sicherheitsrats setzte positive Akzente. Vielmehr waren es konkrete Initiativen zur Stärkung der UN-Arbeit, die Deutschland politisches Kapital eingebracht und gleichzeitig die UN gestärkt haben. Hierzu gehört Deutschlands richtungweisende Unterstützung der Zusammenarbeit der UN mit Wirtschaft und Zivilgesellschaft im Rahmen des Global Compact und öffentlich-privater Partnerschaften. Diese erfolgreiche Politik sollte Deutschland weiterführen.

Zudem sollte Deutschland die Unterstützung der UN-Arbeit im Bereich Friedenskonsolidierung intensivieren. Mit zukünftig fast 140 000 im Feld eingesetzten Mitarbeitern ist der UN-Apparat stark überdehnt. Gegenwärtig verfügen die UN nicht über ausreichende Mechanismen, um systematisch Lehren aus den Fehlschlägen und Erfolgen laufender und abgeschlossener Missionen zu ziehen.

Akzente setzen sollte Deutschland auch bei der Stärkung der UN-Entwicklungsarbeit. Das heißt auch, die stark zerfaserte Entwicklungsarbeit vor Ort kohärenter und schlagkräftiger zu gestalten. Hierzu gehört die Umsetzung der „Four Ones“: ein Programm, ein Budget, ein gemeinsamer Evaluierungsrahmen und ein mit allen nötigen Befugnissen ausgestatteter Vor-Ort-Koordinator für jedes Land. Dabei sollte Deutschland mit gutem Beispiel vorangehen: Effektive Koordination beginnt daheim zwischen der Vielzahl von beteiligten Ministerien.

Das alles sollte mit einem Perspektivwechsel in der Betrachtung der UN hierzulande einhergehen. Das weit verbreitete Wohlwollen gegenüber den UN ist ein Pfund, mit dem Deutschland wuchern kann. Kehrseite der Medaille ist allerdings, dass die UN- Verwaltung unter dem Generalverdacht des Gutmenschentums steht. Wer Kritisches über die Arbeit der UN-Verwaltung verbreitet, gilt allzu leicht als Nestbeschmutzer. Diese Einstellung ist kontraproduktiv. Denn: Nur wer die Schwächen der Arbeit schonungslos aufdeckt, kann gezielt und glaubwürdig für in der Tat dringend notwendige zusätzliche Steuergelder für die Arbeit der UN werben.

Eine solche wohlwollende, aber differenzierende Analyse sind wir den Soldaten und den zivilen Mitarbeitern, die unter schwierigsten Umständen für die Ziele der UN- Charta einstehen, sowie allen, die auf die Hilfe der Weltorganisation zählen, schuldig. Eine Kombination aus Grundsympathie und nüchterner Analyse ist zudem am besten geeignet, den neuen UN-Chef bei der Verwirklichung seines Credos zu unterstützen, dass „die besten Tage unserer globalen Organisation noch vor uns liegen“.

Der Autor ist stellvertretender Direktor des Global Public Policy Institute, einem unabhängigen Forschungsinstitut mit Sitz in Berlin und Genf.

Thorsten Benner

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