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Meinung: Ein Jahr Elterngeld – und dann?

Mehr Betreuungsplätze sind wichtiger als zeitlich begrenzte Hilfe Von Katrin Göring-Eckhardt

Das neue Elterngeld: Eine Familie, die ein Kind bekommt, wird vom Staat für ein ganzes Jahr finanziell heftig unterstützt. Da müsste doch die Entscheidung für ein Kind leicht fallen. Kein finanzieller Absturz mehr, der gesellschaftliche Wunsch nach mehr Kindern wird mit einem ordentlichen Euro-Zeichen versehen. Je nach Rechenart kostet das zwischen 1 und 2 Milliarden mehr als bisher. Dieser Staat, diese Regierung scheint es wirklich ernst zu meinen. Und nicht nur die skandinavischen Länder sind Vorbild, sogar diejenigen, die östlich der ehemals Deutschland trennenden Mauer leben, können mit rückwärtigem Stolz sagen: es war doch nicht alles schlecht.

Obwohl gerade die Wohlfahrtsverbände wissen, dass Kinder aus den bildungsfernen und sozial schwachen Familien zuallererst unsere Unterstützung brauchen, laufen sie nicht Sturm. Ist es nicht vielleicht viel besser, die anderen kriegen die Kinder? Aber immer mit der Ruhe. Nehmen wir das Problem einmal auseinander. Ist es wirklich das eine Jahr Einkommenseinbuße, das Frauen und Männer davon abhält, Kinder in die Welt zu setzen?

Ich fürchte, die potenziellen Eltern, erst recht die, die vorhaben, Beruf und Familie zu verbinden, sind weitaus rationaler. Sie denken weiter – nicht nur 12 Monate voraus. Ohne gesicherte und gute Kinderbetreuung für die Kleinsten müssen sie sich an der Nase herumgeführt fühlen. Ein Jahr Gehalt vom Staat fürs Elternsein und danach nicht einmal eine anständige oder auch nur vorhandene Kita? Das ist wie Butter ohne Brot.

Wir sind bei 9 Prozent Kitaplätzen bundesweit bei den unter Drei-Jährigen. 9 Prozent! Das heißt, wir bräuchten eine enorme Steigerungsrate, um an den Bedarf auch nur annähernd heranzukommen. Und man frage einmal die Kommunen was es wohl kosten würde, hier flächendeckend Angebote zu schaffen. Man kommt auf eben die Summe, die oben erwähnt, fürs Elterngeld benötigt würde. Und weil die Eltern auch noch bereit sind, Beiträge zu zahlen, wäre sogar noch etwas übrig. Für die Kinder zum Beispiel, die zusätzlich zur Kita noch Unterstützung brauchen. Die in der Arche in Hellersdorf ein Essen bekommen, jemanden finden, der mit ihnen singt und sie in den Arm nimmt.

Noch mal: es geht nicht darum, das eine gegen das andere auszuspielen. Nur um die Prioritäten und Reihenfolge geht es. Und um die Frage, welche Probleme junge Familien und potenzielle Eltern tatsächlich bewegen. Ein Argument steht natürlich. Darüber wird aber nicht so gern geredet. Elterngeld, das zahlt der Bund, also sponsored by Angie, Ursel & Co. Kinderbetreuung, die findet vor Ort statt und muss auch dort finanziert werden. Und dann blicken wir noch einmal etwas genauer in die kinderreiche Welt der Skandinavier. Elterngeld? Ja. Und dann? Gesicherte Kinderbetreuung von Anfang an, vernünftige Schulen und Flöte für alle ab der ersten Klasse. Unternehmen, die das Elternsein würdigen, und zwar ganz praktisch.

Das Einzige, das uns wirklich gefallen könnte am Elterngeld der Frau von der Leyen ist der erzieherische Gedanke. Für die Väter. Das hat die Frauenbewegung nicht geschafft. Aber ist uns das angesichts knapper Kassen Milliarden wert? Vor 20 Jahren in Deutschland West hätte man wohl noch laut Ja gerufen. Heute ist das Geld knapper und die Probleme liegen um vieles tiefer. Auf die Kinder kommt es an!

Die Autorin (Bündnis 90/Die Grünen) ist Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags.

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