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Abbauarbeiten nach dem Parteitag in Göttingen.

© dapd

Ein Parteitag, zwei Parteien: Die Linke zerlegt sich selbst

Der Riss durch die Linkspartei ist nicht gekittet, er ist tiefer geworden. Nun droht der Sinkflug in die Bedeutungslosigkeit.

Solidarisch, gerecht, demokratisch, friedlich. So lautete der Titel des Leitantrags auf dem Parteitag der Linken am Wochenende, der eine bessere Politik für Deutschland und Europa postulieren sollte. Am Ende aber klang das wie ein hilfloser Appell an die eigene Truppe. Oder wie der beißende Spott des Gegners. Da propagieren welche etwas im Großen, was sie im Kleinen für sich selber nicht zu leisten imstande sind. Um inhaltlich-politische Arbeit geht es bei der Linken schon lange nicht mehr. Und der Umgang miteinander ist so solidarisch und friedlich, dass es die Partei diesmal fast endgültig zerlegt hat.

Das kann immer noch passieren, die Wahrscheinlichkeit ist mit dem Parteitag gestiegen. Denn die neue Doppelspitze ist nicht das erhoffte Aufbruchsignal, sondern wieder nur das Ergebnis taktischer Manöver. Mit Katja Kipping hat die Linke nun zwar eine frische Querdenkerin als Chefin, die sich aus den Flügelkämpfen herausgehalten hat. Doch statt ihr einen „Versöhnungskurs“ mit der gewünschten Partnerin zu ermöglichen, bekam sie einen Schattenmann Oskar Lafontaines zur Seite gestellt. Der Saarländer, dessen Machtansprüche verbrannte Erde hinterlassen haben, zieht weiter seine Fäden. Mit seinem Adlatus Bernd Riexinger als Kovorsitzendem. Und mit seiner Lebenspartnerin Sahra Wagenknecht auf dem Vizeposten. Die Ostreformer um Dietmar Bartsch hingegen haben in der neuen Parteiführung nichts zu melden.

Ein klarer Sieg für das Lafontaine-Lager, begleitet von Demütigungen, die das Klima auf Jahre vergiften: Der Riss durch die Linkspartei ist nicht gekittet, er ist tiefer geworden. Bei dem Gerangel im Vorfeld ging es nie bloß um persönliche Feindschaften und die Eitelkeit eines alternden Machopolitikers, der noch mal auf den Thron wollte. Es ging um die Ausrichtung der Partei. Den einstigen SPD-Chef trieb die Sorge um, die Ostreformer könnten sein Projekt zu einer „Linken light“ deformieren, die sich den verhassten Sozialdemokraten anbiedert. Die Bartsch-Truppe wiederum fragte, wozu man eine Partei benötigt, die nur auf ein stolzes „Dagegen“ setzt und Mitverantwortung ablehnt.

Der Geschichte der Linken - von der Gründung bis zur jüngsten Zerreißprobe:

Fakt ist, dass es die gesamtdeutsche Linke auch in friedlicheren Phasen nie gegeben hat. Im Osten ist sie die Partei der Einheitsverlierer, die gestalten will. Im Westen die der Radikalgewerkschafter und Sektierer, die sich im Fundamentalwiderstand gefallen. Der Spalt war nur übertüncht. Die Wählerklientel passt so wenig zusammen wie das Politpersonal.

Nicht zufällig entlädt sich das Ganze zu einem Zeitpunkt, wo offenbar wird, dass es politisch für die Linke nicht vorangeht. Nicht einmal von der sich beharrlich öffnenden Schere zwischen Arm und Reich kann sie profitieren, weder Bankenkrise noch Mindestlohndebatte bringen ihr Gewinn. Die Spaltung der SPD findet nicht statt, die Gewerkschaften bleiben auf Abstand. Den Protestwählern bieten neuerdings die Piraten eine Alternative. Die Linke sitzt nur noch in fünf westdeutschen Landesparlamenten, mitregieren darf sie einzig in Brandenburg.

Die SPD kann sich zurücklehnen. Sie wird den Teufel tun und dem gestrauchelten Widersacher auf die Beine helfen. Für Regierungsbildungen in den Ländern braucht sie die zerstrittene Truppe nicht mehr. Und ansonsten hilft Abwarten. Die erstarkten Radikalen werden sich weiter verkapseln – was die Chance erhöht, dass sich Teile des frustrierten Reformerlagers womöglich doch für das kleinere Übel namens SPD entscheiden. Das Problem mit ihren Linken haben die Sozialdemokraten erst wieder, wenn sie im Bund regieren.

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