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Meinung: Ein Schock zur rechten Zeit

Von Gerd Nowakowski

Politiker zeichnet zuweilen aus, dass sie auch miserablen Ergebnissen noch etwas Positives abgewinnen können. Berlins Schulsenator Klaus Böger hat jedenfalls die Resultate der ersten zentralen Prüfung nach der zehnten Klasse als „insgesamt erfreulich“ bezeichnet. Dabei fiel jeder fünfte Berliner Schüler durch, obwohl die ebenfalls geprüften Gymnasiasten den Schnitt hoben. Von den Hauptschülern nämlich bestand weniger als die Hälfte. In der Mathematik gab es an den Hauptschulen als Durchschnittsnote ein Mangelhaft, bei den Realschulen ein knappes Ausreichend. Was soll daran erfreulich sein?

Das weiß auch Böger, der derzeit wohl den schwierigsten Job in der rot-roten Koalition hat. Schlechte Deutschkenntnisse bei Kindern aus Migrantenfamilien, die bundesweiten Schlagzeilen um die Neuköllner Rütli-Schule und Gewaltvorfälle an Schulen in Problembezirken – der Schulsenator ist im permanenten Kriseneinsatz. Mangelnden Reformeifer kann man ihm nicht vorwerfen. Die Zeit des pädagogischen Selbstbetrugs ist jedenfalls vorbei. Dem mittleren Schulabschluss, bei dem Berlin bundesweit in der Spitze liegt, soll im kommenden Jahr das Zentralabitur folgen. Leistungen werden dadurch vergleichbar. Schulen, die bislang das Zeugnis für die mittlere Reife in Eigenregie verteilten, müssen sich bei einem schlechten Abschneiden künftig fragen lassen, wo sie zu wenig getan haben. Auch diesmal hat es Anregungen gegeben, die Noten nachzubessern. Der Schulsenator hat dem zu Recht widerstanden.

Die schlechten Noten der jetzigen Prüfung sind deshalb ein nützlicher Schock. Nur mit einer ehrlichen Bilanz kann es Berlin gelingen, bei der Bildung den Rückstand gegenüber anderen Bundesländern aufzuholen. Ohne mehr Mittel insbesondere für Haupt- und Realschulen aber geht das nicht. Auch wenn der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit das Thema am liebsten meidet, die Opposition sollte es nicht tun. Der bislang fehlende Wahlkampf in Berlin könnte dann endlich ein Thema haben.

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