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Meinung: Ein Schritt zurück

Die CDU will überhaupt gar nicht mehr streiten, erst recht nicht über Inhalte

Edmund Stoiber, so sah es sein Redemanuskript vor, wollte mit ein paar kämpferischen Worten zur Wahl 2006 enden. Doch er sprach weiter, und sein wirklich letzter Satz lautete schließlich: „Mit Rot-Grün geht es nicht. Mit der CDU/CSU geht es vorne und hinten und in jeder Beziehung.“ Ein Satz, so unbeholfen und kompliziert wie die Beziehung der beiden Parteien in den vergangenen Monaten – und also ein treffendes Schlusswort für ein schon verloren geglaubtes Jahr: Wir von der CSU, sollte es heißen, wollen die Nähe zur CDU, wie und wo auch immer.

Vor einem Jahr, auf dem letzten Parteitag der CDU in Leipzig, auf dem so kühn von radikalen Reformen die Rede gewesen war, war Stoiber kühl empfangen worden, so kühl, dass am Ende sogar von Kränkung gesprochen wurde. Das Jahr hielt, was es versprochen hatte: Kühle, Kränkung, Kompromiss. Nun, in Düsseldorf, war Stoiber wie ein Boxer in den Saal marschiert, zu dröhnender Begleitmusik, doch die Lust auf Prügelei war auch ihm bereits vergangen.

Am Abend zuvor hatten die CDU-Delegierten gleichsam teilnahmslos den hart umkämpften Gesundheitskompromiss durchgewinkt, unkommentiert angenommen, als wäre es unter der Würde dieser Partei, darauf noch einmal Redezeit zu verschwenden. Kampfabbruch als Demütigung des Gegners, so kontrolliert ging die CDU über den Streit hinweg, ausgezählt sollte niemand werden.

Stoiber kam der CDU dann so nahe, dass ein Ringrichter ihn wegen Klammerns eigentlich hätte verwarnen müssen. Er spürte wohl, dass er in der Bringschuld war und seine Forderung, „Klärungsprozesse besser zu organisieren“, konnten die CDU-Mitglieder auch als Selbstkritik verstehen. Wie viel Nähe mit der CSU möglich und nötig sein soll, darüber wird in Zukunft wieder in erster Linie die CDU befinden, das ist wohl eines der wichtigsten Ergebnisse des Parteitags. Das Handtuch, das Stoiber in der Frage der Kanzlerkandidatur schon längst geworfen hat, flog in Düsseldorf noch ein Stück weiter. Und das vor den Augen der Öffentlichkeit.

Wie riesengroß diese Kraftanstrengung jedoch war, wie teuer diese Versöhnung, lässt sich leicht ablesen: zur Integration – keine Debatte; zum Leitantrag „Wachstumsstrategien für die Wissensgesellschaft“ – keine Debatte; zur Frage der Leitkultur – keine Debatte. Den Streit nicht wieder aufbrechen zu lassen, das allein führte die Partei offenbar an die Grenzen ihrer Belastbarkeit.

Angela Merkel hatte auf Drängen von Parteifreunden in ihrer Rede die Passage zum Patriotismus zusammengekürzt, und so wurde in Wahrheit nur einmal offen gestritten, darüber nämlich, wer die Strafe für das Parteispendenverfahren bezahlen muss. Eine inhaltliche Debatte wollte Merkel nicht, es gab also keine.

Zum kleinsten gemeinsamen Nenner wurde damit der Wunsch, die Macht im Land zu übernehmen: Merkel hielt dazu das Referat, staatsmännisch, Stoiber das Koreferat, kämpferisch. So weit waren die Aufgaben verteilt, und so werden sie wohl auch 2006 verteilt sein. Angela Merkel und die CDU haben einen Schritt zurückgetan, hinter Leipzig, um sich mit der CSU zu versöhnen. Das heißt vor allem, dass Merkel die Oppositionsrolle beherrscht und eine schwierige Etappe auf dem Weg zur Macht erfolgreich hinter sich gebracht hat.

Merkel hat sich die nötige Rückendeckung besorgt, um vor den kommenden Wahlen zurückschalten zu können auf eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Regierung. Erst dann wird sich zeigen, wie hoch der Preis dieser Aussöhnung und wie tragfähig der Gesundheitskompromiss war. Erst dann, so Merkels Fahrplan, soll sich klären, was auf das Land nach einer Machtübernahme zukommt.

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