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Ein SPRUCH: Abgesehen davon

Möchte man wissen, wie Angela Merkel zu der vor dem Bundesverfassungsgericht anlaufenden Prüfung der jüngsten Euro-Rettung steht, muss man auf die Wortwahl ihrer Rede zu den von ihr abgelehnten Euro-Bonds im Bundestag achten. „Abgesehen davon, dass sie verfassungswidrig wären, sind sie auch .

Möchte man wissen, wie Angela Merkel zu der vor dem Bundesverfassungsgericht anlaufenden Prüfung der jüngsten Euro-Rettung steht, muss man auf die Wortwahl ihrer Rede zu den von ihr abgelehnten Euro-Bonds im Bundestag achten. „Abgesehen davon, dass sie verfassungswidrig wären, sind sie auch ...“

Was soll das heißen, „abgesehen davon“? Für Angela Merkel, die Wichtiges so gern nebensächlich sagt, eine typische Formulierung. Auch etwas verräterisch, denn sie bedeutet: Diese Diskussion jetzt und hier vor dem hohen Hause zu veranstalten, das kann ich mir und Ihnen ersparen. Im Übrigen: Sollen doch die üblichen Beschwerdeführer ihre üblichen Beschwerden führen, soll doch das Karlsruher Gericht eines seiner üblichen Urteile fällen – es ist mir egal, weil ich „abgesehen davon“ noch viel bessere Gründe habe, als mich mit diesem Kleinklein zu befassen.

Nun kommen nicht Euro-Bonds auf das Tapet der Richter, sondern zunächst einmal der Dauer-Rettungsschirm ESM und der Fiskalpakt. Eine neue Milliarden-Garantie, ein neuer Vertrag, der den deutschen Haushaltsgesetzgeber bindet. Angesichts der drohenden Belastungen und Risiken wäre es fahrlässig, Verfassungsfragen zu übergehen. Klar, die Regierung hat das geprüft und für kompatibel befunden. Aber von einer wirklich breiten, fundierten öffentlichen Diskussion wurde, nun ja, abgesehen.

Weil es so genau niemand wissen will? Mag sein. Die Regierung ist trotzdem in der Bringschuld. Sie darf sich sonst nicht wundern, wenn in Karlsruhe immer öfter Verfassungsdebatten nachgeholt werden, die von ihr in Berlin versäumt wurden. Was kostet es die mächtigen Regierenden, sich ein wenig auf Karlsruher Argumentationen einzulassen? Mit den Urteilen zu argumentieren, die es gesprochen hat? Seine Worte zu benutzen?

Nichts. Es herrscht nur Angst, sich einen Zacken aus der Kanzler- oder Ministerkrone zu brechen. Denn das hieße ja, sich auf das Niveau der notorisch als Irrläufer stigmatisierten Kläger einzulassen. Und, fast noch schlimmer, es bedeutete einen Knicks vor den Roten Roben, von denen erwartet wird, sich der amtlichen Grundgesetzauslegung zu beugen. Man fürchtet, wie Kompetenzen an Brüssel abgegeben werden, so würde auch Respekt an Karlsruhe abgegeben.

Eine erstaunlich unsouveräne Haltung. Von der ehemaligen Berliner Justizsenatorin und späteren Verfassungsgerichtspräsidentin Jutta Limbach stammt der Gedanke, die Richter könnten sich umso weniger zum Eingreifen veranlasst sehen, je mehr in den öffentlichen Diskussionen die Perspektive des Verfassungsrechts auf politische Projekte erörtert wird. Tatsächlich kann man Recht zu Geltung verhelfen, indem man darüber redet. Geschrieben ist es ja schon. Man kann von so einigem absehen, aber besser nicht vom Grundgesetz.

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