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Ein SPRUCH EIN WORT zum Sonntag: Bitte nicht schlagen

Als Demokratielehrer kann man es weit bringen, so etwa Joachim Gauck ins Schloss Bellevue. Der amtierende Nachfolger als Stasi-Unterlagenbeauftragter, Roland Jahn, hat Ähnliches versucht.

Als Demokratielehrer kann man es weit bringen, so etwa Joachim Gauck ins Schloss Bellevue. Der amtierende Nachfolger als Stasi-Unterlagenbeauftragter, Roland Jahn, hat Ähnliches versucht. Kaum war er angetreten, da hob er den Zeigefinger. Jeder Ex-Stasi-Mitarbeiter in seiner Behörde, befand der Ost-Bürgerrechtler und West-Journalist, sei ein Schlag ins Gesicht der Opfer. Schläge, die Gauck noch fröhlich austeilen ließ, denn der hatte sich um das vermeintliche Problem nie gekümmert, im Gegenteil: die Kenntnisse der Exspitzel seien nützlich.

Zu viel Pragmatismus für einen Demokratielehrer neuerer Prägung. Jahn erhob seine Behördenprobleme zum Politikziel. Er machte Druck auf die Abgeordneten, bis die ihm eine Sonderregel im Stasi- Unterlagengesetz verankerten, um seine knapp vier Dutzend belastete Mannen aus der Behörde zu kegeln. Da steht nun der Auftrag, die Ungeliebten auf einen „gleichwertigen Arbeitsplatz innerhalb der Bundesverwaltung zu versetzen“. Fast hätte es darum einen ersten Prozess gegeben, der sich am Donnerstag aber erledigt hat. Weitere werden kaum folgen. Tags darauf kündigte die Jahn-Behörde an, sie wolle keinen Ex-Stasi-Mann gegen dessen Willen versetzen. Nun drängt sich die Frage auf: Wofür wurde dann der Bundestag beschäftigt?

Für nix, leider. „Gesellschaftlicher Bedarf“ bestehe für sein Gesetz, hatte Jahn sich gerechtfertigt. Diese Begründung ergänzt aufs Originellste die Regeln für Angestellte im öffentlichen Dienst, die sonst nur aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen versetzt werden dürfen. Wie das alles harmonieren soll – ein schöner Stoff, um die Berliner Arbeitsgerichtsbarkeit auf Trab zu halten. Am Ende könnte dabei rauskommen, dass Jahns Sondergesetz kaum praktische Relevanz besitzt. Dass nur gehen muss, wer auch zustimmt. Und weil Jahn das zu ahnen scheint, lässt er es auf Konflikte lieber nicht ankommen. Als Bürgerrechtstiger ist er gesprungen, nun schnurrt er als Hauskatze seiner Rechtsabteilung.

Wenn dies nun ein Demokratielehrstück gewesen sein soll, was lernen wir daraus? Dass es Gemeinwohlziele sind, die den Gesetzgeber leiten sollten, nicht die politischen Empfindlichkeiten von Behördenchefs. Dass es nie gut und außerdem verfassungsrechtlich fragwürdig ist, solche Einzelangelegenheiten per Gesetz zu regeln. Dass symbolische Gesetzgebung in höchster Absicht am Ende nur tiefste Enttäuschung produziert.

Die in ihrem Eigensinn stets etwas verbunkert wirkende Behördenleitung steht seit Jahren in Händel mit dem Rechtsstaat, siehe Kohls Akten, siehe Birthler und Gysi. Demokratielehrer sind eine feine Sache, doch eine kühle und überparteiliche Rechtslehrerhaftigkeit würde den Aktenhütern gut anstehen. Rechtslehrer können es weit bringen, etwa Roman Herzog ins Schloss Bellevue.

„Die großen Geberländer Baden-Württemberg, Bayern und Hessen sind sich einig: Wenn sich die Nehmerländer einer nachhaltigen Reform verweigern, ziehen wir vor das Bundesverfassungsgericht“

Winfried Kretschmann, Ministerpräsident Baden-Württembergs, zum Länderfinanzausgleich.

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