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Ein SPRUCH: Endlich schulfrei

Muss es Zwangsgeld für Bildungszwang geben? Auch in Deutschland wollen einige bibeltreue Christen ihre Kinder lieber zu Hause als in einer öffentlichen Schule unterrichten. Lasst sie doch!

Deutschland, Land der Freiheit. Glauben, Presse, Meinungen, Forschung, Kunst, Berufswahl – alles frei. Nur Schule nicht. Schule ist Pflicht. Wer das nicht kapiert, wird bestraft. 300 Euro sollen Eltern aus Baden-Württemberg für jedes ihrer drei Kinder zahlen, das sie zu Hause unterrichten wollen. Ein Zwangsgeld für den Bildungszwang, abgesegnet vom Verwaltungsgericht Stuttgart am vergangenen Dienstag und im Prinzip längst auch vom Bundesverfassungsgericht, das 2006 eine Verwarnung mit Strafvorbehalt für Eltern passieren ließ, die ihre drei Töchter vom Schulbesuch abgehalten hatten.

Nun ist es so, dass man in unseren weltlichen Berliner Breiten über solche Familien den Kopf zu schütteln pflegt. Es sind meist bibeltreue Christen, in Stuttgart waren es Baptisten, die ihre Kinder befreit haben wollen. Was staatliche Schulen lehren, scheint ihnen suspekt. Das muss man nicht teilen, doch wer beispielsweise noch in der DDR zur Schule ging, dem ist diese Skepsis mitunter nicht fremd. So manche gelehrte Erkenntnis über Gesellschaft, Politik, Recht, Demokratie und das Leben an sich ist zeitgebunden und Ansichtssache. Neutral erscheinen – ausgerechnet – die Mathestunden. Gegen eine Mathepflicht dürften auch Gläubigste wenig einzuwenden haben.

Aber Schule ist eben mehr, und dieses Mehr ist der Grund, weshalb die rigide Durchsetzung der Schulpflicht selbst unter dem freiheitlichen Regime des Grundgesetzes verfassungsgemäß sein soll. Schule führt Kinder und Gesellschaft zusammen, sie soll aus kleinen Persönlichkeiten große machen, Staatsbürger, die mit diesem Begriff auch etwas anzufangen wissen. Ehrenwerte Ziele, die sich jedoch auch anders erreichen ließen. Für die Gemeinschaft gibt es Freunde oder Vereine und für alles andere Bücher, Eltern und Privatlehrer; das einheitliche Niveau könnten gemeinsame Prüfungen sicherstellen. Eine ordentliche Schule ist solchen Konzepten überlegen, klar. Nur warum soll man jene, die das anders sehen, zu dieser Einsicht nötigen?

Von einem Mindestmaß an Ehrgeiz beseelte Eltern werden zugeben, dass homeschooling so sektiererisch nicht ist, sondern dass es sich angesichts von Stofffülle, Lerndruck und Unterrichtsausfall unter dem Decknamen „Hausaufgaben“ und „Nachhilfe“ längst in den Alltag auch vieler ungläubiger Familien eingeschlichen hat. Und dann gibt es noch Eltern, denen das nicht reicht. Die ihre Kinder auf teure Privatschulen schicken und damit billigend in Kauf nehmen, zu ebenjener sozialen Entmischung beizutragen, die die Schulpflicht und ausdrücklich auch das Grundgesetz so dringend vermeiden möchten. Die Bibeltreuen sind in Sachen Schule und Erziehung den Lebenswelten ambitionierter Mittelschichten gar nicht so fern. Wenn sie ihre Kinder unbedingt zu Hause unterrichten möchten – lasst sie doch.

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