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Uli Hoeneß

© dpa

Ein SPRUCH: Spiel mit dem Urteil

Hat Uli Hoeneß Steuern hinterzogen, ohne Steuerhinterzieher zu sein? Ist er schuldig, aber unbestraft? Ziemlich verwirrend

Sie haben es gründlich gemacht beim FC Bayern. Aufsichtsratschef Uli Hoeneß hat sich selbst wegen Steuerhinterziehung angezeigt, und der Aufsichtsrat ließ ein Rechtsgutachten erstellen, wonach „für Mitglieder des Aufsichtsrats kein Amtsverbot wegen einer strafrechtlichen Verurteilung“ besteht. Im Klartext also hat sich der Fußballfunktionär selbst angeklagt, und sein Verein hat ihn bereits gerichtet. Das Urteil lautet auf schuldig, jedoch ohne weitere Folgen.

Nicht nur die Strafkammer am Münchner Landgericht wird sich fragen, wozu sie noch verhandeln soll. Auch der durchschnittliche Rechtsstaatsbürger darf irritiert sein. Da der Prozess gegen den Mann erst im März beginnen und bis dahin viel über ihn zu reden sein wird, ist auch zu klären, ob für einen derart Verurteilten noch die Unschuldsvermutung gelten muss.

Fan aus Niedersachsen. Volkswagen-Chef Martin Winterkorn (r.) sitzt im Aufsichtsrat der FC Bayern AG. Im Vorjahr gratulierte er Uli Hoeneß zum 60. Geburtstag.
Fan aus Niedersachsen. Volkswagen-Chef Martin Winterkorn (r.) sitzt im Aufsichtsrat der FC Bayern AG. Im Vorjahr gratulierte er Uli Hoeneß zum 60. Geburtstag.

© Reuters

Ein flüchtiger Blick auf den Pressekodex könnte auf die falsche Fährte führen. Denn dort heißt es zwar ausdrücklich, die Unschuldsvermutung gelte auch für die Presse, es müsse ohne Vorverurteilung über Strafverfahren berichtet werden. Aber die Presse dürfe eine Person eben auch „als Täter bezeichnen, wenn sie ein Geständnis abgelegt hat“. Und Hoeneß ist geständig. Oder?

Nein, er hält sich tatsächlich für unschuldig im Sinne der Anklage. Das liegt an seiner Selbstanzeige, die eigentlich keine Anzeige ist, auch wenn sie im Gesetz so heißt. Förmlich geht es darum, Angaben gegenüber dem Finanzamt zu berichtigen. Dann tritt eine strafbefreiende Wirkung ein, ein sogenannter persönlicher Strafaufhebungsgrund. Man diskutierte früher, die Anzeige besser „Selbstberichtigung“ oder „strafbefreiende Wiedergutmachung“ zu nennen. Doch es hat sich nicht durchgesetzt. Hoeneß meint nun, seine Selbstanzeige sei wirksam, die Staatsanwälte meinen das Gegenteil. Also muss ein Gerichtsverfahren erst den Schuldnachweis erbringen. Bis dahin gilt der Angeklagte als unschuldig.

Das paradoxe Ergebnis wäre, dass Hoeneß Steuern hinterzogen hat, ohne Steuerhinterzieher zu sein. Er scheint sich aber nicht zu wehren, wenn man ihn so bezeichnet. Außerdem stimmt auch dies: Man muss eine Straftat erst begangen haben, um sie strafbefreiend bei den Behörden anzeigen zu können. Damit wäre man aber doch so etwas wie ein geständiger Täter. Also doch ein Steuerhinterzieher. Und schuldig, wenn auch unbestraft.

Ziemlich verwirrend. Fest steht, dass Hoeneß den einschlägigen Tatbestand der Abgabenordnung erfüllt haben wird. Fest steht auch, dass eine Haftstrafe bis zu zwei Jahren keinerlei Folgen für ihn hätte, weil sie bis zu dieser Höhe zur Bewährung ausgesetzt werden könnte und neben der geölten Geldmaschine FC Bayern München AG ganz Fußballdeutschland zu ihm steht. Muss er doch in den Knast, wird man es nehmen wie ein verlorenes Spiel. Sportlich, nicht reuig.

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