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Ein SPRUCH: Unsere Emmelys

Eine Supermarktkassiererin, die einen 1,30 Euro-Pfandbon unterschlug, eine Altenpflegerin, die ihren Arbeitgeber verpfiff – die bundesweit meistdiskutierten Arbeitsrechtsfälle der letzten Zeit kommen aus Berlin, und es gibt auffällige Parallelen zwischen „Emmely“ und Brigitte Heinisch, die am Freitag ihren Streit mit Vivantes beendet hat und nun 90 000 Euro reicher ist. Beide hatten denselben Anwalt, beide dieselbe Richterin, die mit umstrittenen Urteilen ihre Klagen zuvor abwies, beide hatten Verdi und Unterstützerkomitees an ihrer Seite, beide bekamen zu guter Letzt Recht.

Eine Supermarktkassiererin, die einen 1,30 Euro-Pfandbon unterschlug, eine Altenpflegerin, die ihren Arbeitgeber verpfiff – die bundesweit meistdiskutierten Arbeitsrechtsfälle der letzten Zeit kommen aus Berlin, und es gibt auffällige Parallelen zwischen „Emmely“ und Brigitte Heinisch, die am Freitag ihren Streit mit Vivantes beendet hat und nun 90 000 Euro reicher ist. Beide hatten denselben Anwalt, beide dieselbe Richterin, die mit umstrittenen Urteilen ihre Klagen zuvor abwies, beide hatten Verdi und Unterstützerkomitees an ihrer Seite, beide bekamen zu guter Letzt Recht. Sie sind ähnliche Frauen: entschieden, standhaft und überhaupt nicht auf den Mund gefallen. So galt ihnen alle öffentliche Sympathie, und es war klar, was Gut und Böse, was Recht und Unrecht ist.

Es gibt noch eine andere Parallele. Beide haben gelogen. Oder, im Fall Heinisch, genauer: übertrieben. Der Grund, weshalb Emmely vor den Berliner Richtern keine Gnade fand, waren die fortgesetzten Falschangaben zur Tat und die falsche Belastung einer Kollegin, weniger war es die Bagatelle mit den Pfandbons. Brigitte Heinisch scheiterte, weil sie eine Strafanzeige mit der offenkundig haltlosen Behauptung erstattet hatte, sie sei zur Falschdokumentation von Pflegeleistungen angehalten worden.

Man kann – wie das Bundesarbeitsgericht bei Emmely – den Akzent woanders setzen, nämlich bei der langen Betriebszugehörigkeit, und Emmely ihre Kündigungsschutzklage gewinnen lassen. Man kann auch – wie der Europäische Menschenrechtsgerichtshof bei Heinisch – ein Grundsatzurteil zum „Whistleblowing“ fällen wollen und die Bundesrepublik wegen ihres Justizunrechts zur Entschädigung verurteilen. Beide Urteile sind gut begründet. So gut, wie es die Wertungen der Berliner Richter waren.

Zu Heinisch ist anzufügen, dass sie, bei allen berechtigten Klagen über die Zustände in ihrem Heim, im Jahr vor ihrer fristlosen Kündigung laut Urteil insgesamt 90 (!) Fehltage angehäuft und deshalb schon eine Kündigung auf dem Tisch hatte, bevor sie sich entschied, wegen des Pflegenotstands zum Staatsanwalt und in die Öffentlichkeit zu gehen. Wohl war es auch kein Musterfall des „Whistleblowing“. Nichts wurde aufgedeckt, die Missstände waren bekannt, Konsequenzen angedroht. Gleichwohl ist es auch ihr Verdienst, dass es den Heimbewohnern heute besser gehen soll.

Weder Emmelys Fall noch der Heinischs haben zu völlig neuen Maßstäben geführt. Es bleiben Einzelfälle. Wer Kleinkram klaut, sollte sich nicht erwischen lassen, und wer in die Pfeife bläst, sollte zusehen, dass es keine heiße Luft ist – sonst droht Kündigung. Sind Recht und Unrecht also bloß Zufall? Schärft Abstand den Blick dafür oder Nähe? Für ein Halb-Halb gibt es kein Urteil. Das gibt es nur im Vergleich. Heinisch hat ein gutes Geschäft gemacht, als sie ihn annahm.

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