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Ein SPRUCH: Wir wichtigen Wächter

Die ohnehin freie Presse in Deutschland hat der Gesetzgeber jetzt noch freier gemacht. Das ist nur dann gut, wenn Journalisten mit dieser Freiheit verantwortlich umgehen.

Politiker und Journalisten führen ein Leben wie viele langjährige Ehepartner. Man braucht einander, aber jeder lebt für sich, und man geht häufiger getrennter Wege. Komplimente sind selten geworden. Wer eines macht, will was.

Was Politiker dann wollen, ist immer dasselbe, Stimmen nämlich, und vor allem die FDP hat es nötig. Man muss es der Bundesjustizministerin daher nachsehen, wenn sie, wie Freitag geschehen, folgenden Satz in Umlauf bringt: „Nach fast anderthalb Jahren parlamentarischer Beratungen hat der Bundestag gestern beschlossen, die vierte Gewalt in unserem Staat zu stärken.“ Vierte Gewalt, ohne Anführungszeichen. Die Presse als Wächter, Aufklärer und Schutz vor staatlicher Willkür, gleichrangig mit Parlament, Regierung und Gerichten. Man hört’s gerne. Allein, der Glaube schwindet. Lobbyismus, Public-Relation, Kommerzdruck, Blogger – und wäre ein kräftiger Internet-„Shitstorm“ dann die fünfte Gewalt?

Man soll dankbar sein. Das Vertrauen, das gerade erste und dritte Gewalt der vermeintlich vierten entgegenbringen, überwältigt nach wie vor. Am Mittwoch hat das Bundesverwaltungsgericht Journalisten erlaubt, Sondereinsatzkommandos der Polizei in Aktion zu fotografieren. Die Presse, hieß es, sei vernünftig genug, selbst darauf zu achten, dass die Beamten in der Öffentlichkeit nicht identifiziert werden könnten.

Sabine Leutheusser-Schnarrenbergers neues Gesetz soll nun Medienleute vor Strafverfolgung wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat schützen, wenn sie als geheim eingestuftes Material veröffentlichen. Es ist die späte Folge des Karlsruher Urteils zum Politikmagazin „Cicero“ von 2007. Das Gericht hatte Durchsuchungen der Redaktion gerügt, nachdem das Blatt in einem Bericht über den mittlerweile getöteten Al-Qaida-Terroristen Abu Mousab al Zarqawi detailreich aus internen Dokumenten des Bundeskriminalamts zitierte, bis hin zu dessen überwachten Telefonanschlüssen.

Das neue Gesetz, sagt die Ministerin, soll die Möglichkeit stärken, investigativ zu recherchieren, „die für unsere Demokratie so wichtig ist“. Wichtig ist auch, Terroristen zu fangen. Ist es da hilfreich, Ermittlungsdetails herauszuposaunen? Was sollen Leser mit Telefonnummern? Sollen sie die Terroristen anrufen?

Die ohnehin freie Presse in Deutschland macht der Gesetzgeber jetzt noch freier. Was ja nicht schlecht ist, soweit Journalisten mit dieser Freiheit verantwortlich umgehen. Allerdings ist das Gesetz nicht konsequent, weil Durchsuchungen und Beschlagnahmen in Redaktionen auch künftig möglich bleiben. Umgekehrt war mit dem „Cicero“-Urteil das Wesentliche gesagt: Der Staat muss beste Gründe haben, wenn er so etwas tut. Es gab nicht wirklich was zu tun, also packte man an. Die vierte Gewalt wird schon zufrieden sein, solange man sie so nennt.

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