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Ein Zwischenruf zu…: …Abibällen

Ein paar geplatzte Abibälle und ein mutmaßlich betrügerischer Ballorganisator scheinen Grund genug zu sein, den Jugendlichen von heute vorzuwerfen, sie seien überprofessionell, überangepasst und überambitioniert. Ausgerechnet die Älteren erheben diese Anklage.

Ein paar geplatzte Abibälle und ein mutmaßlich betrügerischer Ballorganisator scheinen Grund genug zu sein, den Jugendlichen von heute vorzuwerfen, sie seien überprofessionell, überangepasst und überambitioniert. Ausgerechnet die Älteren erheben diese Anklage. Es sind diejenigen, die ihre eigenen Kinder genau so erzogen haben.

Diejenigen, die sich ihre Zeugnisse noch per Post zustellen ließen, finden es sonderbar, wenn die Kinder sich in Ballkleidern und Anzügen für das Abitur feiern lassen wollen. Die Pädagogikstudenten von früher halten organisierte All-inclusive-Jahrgangsreisen nach Mallorca für spießig, wo es sich doch einst so schön ein paar Monate mit Zelt und Sangria in Spanien herumlungern ließ. Die Postmaterialisten schütteln sich vor Abscheu vor einer formellen Veranstaltung in klimatisierten Räumen – sie selbst haben schließlich ein Lagerfeuer im Wald angezündet, bevor sie sich zum Studium in die nächste Großstadt-WG abmeldeten.

Es ist das Recht der Älteren, die nachfolgenden Generationen für schlapp zu halten. Doch hier geht es nicht um das Versagen der Jungen, hier geht es um die Versäumnisse der Elterngeneration. Diese Leute und die dazugehörigen Lehrer haben die Zukunftsängste der 80er und 90er Jahre auf ihre Kinder übertragen. Sie haben ihnen eingeimpft, dass man als Taxifahrer enden muss, wenn man das tut, was man gerne tun will. Sie selbst – längst als Akademiker im öffentlichen Dienst wohl bestallt, als Unternehmer, Anwälte und Manager hoch angesehen, als Referenten und Sozialarbeiter komfortabel in Lohn und Brot – haben ihren Kindern gegenüber so getan, als sei die Zukunft nur mit einem Einserschnitt im Abi, einem Betriebswirtschafts- oder Ingenieursstudium zu bewältigen.

Dabei sind die Aussichten für die Generation Abi 2011 ganz anders. Kaum jemand von ihnen wird sich ernsthaft Sorgen um einen Job machen müssen – selbst wenn der ein oder andere Abiturient mit einem Studium der christlichen Archäologie, der Altarabistik oder der mittelalterlichen Geschichte kokettiert. Den Jugendlichen das mitzuteilen, haben die Alten versäumt. Genauso, wie sie ihnen die Unbefangenheit genommen haben, sich für das zu interessieren, was ihnen gefällt.

Das Abiball-Desaster 2011 ist kein Fanal für eine überangepasste Jugend. Es ist eines für eine Generation 40 plus, die es bis heute nicht schafft, anzuerkennen, dass sie es verdammt gut getroffen hat.

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