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Ein Zwischenruf zum …: … Atomausstieg

Mit dem Atomausstieg ist es so: Man weiß nicht genau, ob es geht. Dennoch wollen ihn alle, und zwar sofort.

Mit dem Atomausstieg ist es so: Man weiß nicht genau, ob es geht. Dennoch wollen ihn alle, und zwar sofort. Deutschland, ein Land, das sich in den vergangenen Jahren das Glauben gründlich abgewöhnt hat, glaubt nun an den Atomausstieg. Hier geht es nicht nur um Strom und die Art, wie er erzeugt wird. Es geht auch um einen Glauben, der über die eigene Existenz hinausreicht, der das Leben kommender Generationen sichern soll. Christen würden sagen, es geht um die Bewahrung der Schöpfung. Weil es aber immer weniger Christen gibt und trotzdem alle immer noch etwas zum Glauben brauchen, heißt das neue Credo ganz säkular „Atomkraft – nein Danke“.

Es ist nicht sicher, ob das Land – seine Menschen, seine Klimaanlagen, seine Wirtschaft – ohne Atomstrom auskommen. Unklar ist auch, ob immer genügend Wind, Sonne, Wasser oder Gas da sind, um ihn ganz bald zu ersetzen. Ziemlich sicher ist dagegen, dass man viele neue Stromleitungen braucht, um die Energie dahinbringen zu können, wo sie gebraucht ist – und sonnenklar scheint zu sein, dass niemand solche Leitungen in seiner Nähe haben will.

Ein solch entschiedenes Nein zur Atomkraft gibt es nur in Deutschland. Das liegt daran, dass zwar auch in allen anderen Ländern der Welt mal der Wind, mal die Sonne fehlen könnten, dass auch dort neue Trassen schwer zu bauen sind. In anderen Ländern ist die Diesseitskrise nicht weniger scharf als hier, im Gegenteil. Außerdem beschäftigen sich die Bürger dieser Länder zur Zeit mit den Staatsschulden, mit ihren Freiheitsrechten oder mit der Jugendarbeitslosigkeit. Auf das Aussprechen dieser Probleme richten sie ihre politische Energie, auf deren Lösung wenden sie weit mehr als ihre unmittelbaren politischen Hoffnungen. Deutschland aber vertieft sich mit einer Vehemenz in den Atomausstieg, die vergleichbar ist mit der Kreuzzugsmanie des Mittelalters oder mit dem fanatischen Eifer beider Seiten in den Reformationskriegen.

Heute braucht man keinen Papst und keinen Luther, vielleicht nicht einmal mehr einen Gott. Aber einen tiefen Glauben braucht man offenbar immer noch, um sein Leben mit Sinn zu füllen. Das beständige Glauben an etwas ist dabei nicht so wichtig wie das Glauben an sich. Ein paar Jahre lang wurde gegen den Klimawandel zu Felde gezogen, jetzt ist es der Atomausstieg, mit dem die Welt ein besserer Platz werden soll. Das haben weder die Kreuzzüge noch der Reformator Luther geschafft – und mit dem Holterdipolter-Ausstieg wird es genauso gehen.

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