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Ein Zwischenruf zur …: … Mehrwertsteuer

Was ist eigentlich eine Schnittblume? Die schwarz-gelbe Koalition betreibt eine Politik der Aufklärung

Was ist ein Hotel? Ein Ort, den Menschen aufsuchen, die ein Bett brauchen? Was ist eine Übernachtung? Pyjama an, Augen zu, Decke über den Kopf? Was ist ein Frühstück? Brötchen, Kaffee, Marmelade, Ei? Für manche trifft das zu. Ist eine Espressomaschine, aus der der Gast seinen Kaffee selbst herauslässt, Service oder Rohstoff?

Zu Unrecht wird über diese Fragen gespottet. Sie sind zentral. Und nirgends sonst zeigt die deutsche Gesellschaft, wie viel Kreativität, Dynamik und Gestaltungswillen in ihr steckt. Seitdem beschlossen ist, dass Übernachtungen künftig zum reduzierten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent angeboten werden sollen, Frühstück, Mittag-, Abendessen und Kaffeeklatsch aber voll mehrwertsteuerpflichtig bleiben, mobilisiert das Land seinen lange vermissten Erfindungsgeist. Hundertschaften von Beamten, Lobbyisten und Tourismusexperten widmen sich lange verdrängten Problemen, sie rühren ans Zentrum deutscher Gastlichkeit: Wenn zum Beispiel ein Fluggast auf einem Interkontinentalflug auf seinem Sitz einschläft, übernachtet er dann zum ermäßigten Steuersatz quasi wie im Hotel – oder döst er nur voll mehrwertsteuerpflichtig „Economy“ ein? Ist ein Restaurant, das seine Gäste auf Liegebänke lagert, ein Hotel? Was ist, wenn das Essen bis in den frühen Morgen dauert – ist die Liegezeit eine Übernachtung? Der Schlafwagen der Bahn – ein Hotel, auch wenn man kein Auge schließt? Ist der Campingplatz nicht eigentlich irgendwie auch ein Übernachtungsbetrieb? Kommen Menschen ins Stundenhotel, um auszuruhen – oder steht etwas anderes im Vordergrund?

Nur wer es gelernt hat, präzise zu formulieren, hat in der Informationsgesellschaft Zukunft. Insofern ist es höchste Zeit, dass zunächst einmal das Vokabular der Tourismuswirtschaft geschärft wird. Das wird Schule machen. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat angekündigt, im kommenden Jahr das ganze Mehrwertsteuersystem mit seinen ermäßigten Steuersätzen zu überprüfen. Wir freuen uns auf folgende Fragen: Was ist eigentlich eine Schnittblume? Welche Eigenschaften muss eine Zeitschrift haben? Wie ist es steuerrechtlich zu bewerten, wenn Erwachsene mit (steuerermäßigtem) Kinderspielzeug hantieren? Wie alt dürfen Windelträger sein, um in den Genuss steuerprivilegierter Pampers zu kommen?

Wie gut, dass die neue Regierungskoalition uns ermuntert, uns den wirklich wichtigen Fragen des Lebens zu stellen. Dagegen ist eine Finanzkrise – nichts.

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